Chronik der Stadt Reichenau

1795 ist am Christihimmelfahrtstage ein so großer Schnee eingefallen, das mit Schlitten gefahren werden konnte und dann auch durch den Schnee viele Bäume zerbrochen wurden Der Winter vom Jahre 1833 bis 34 zeichnete sich durch Wärme und hohe Temperatur aus, im Feber blühten Bäume und Blumen, dagegen kamen im April ausgiebige Schneefälle, jedoch ohne Frost Im Jahre 1847 blieb der Herbst lange warm, auch der Winter war milde, sodaß die Leute bis nach Weihnachten Pilze und Preißelbeeren im Walde fanden. Im Jahre 1590 verdorrten in der heißen Sommerglut das Getreide auf den Feldern und das Heu auf den Wiesen, sodaß große Teuerung eintrat und der Scheffel Korn über zwei Schock Meißner Groschen (etwa gleich 60 Kro¬ nen) kosteten. Ein heißer und trockener Frühling trat im Jahre 1711 ein, dem ein naßkalter Sommer folgte. Das Getreide auf den Feldern verfaulte, wodurch große Teuerung in Feldfrüchten entstand, die Bauern viel Viehschlachten mußten und das Pfund Rindfleisch für 2 Kreuzer verkauft wurde. Schwarzecker berichtet auch über den Sommer des Jahres 1719, welcher o große Hitze und Trockenheit brachte, daß in der Mohelka kein Tropfen Wasser floß und in Reichenau fast alle Quellen ausgetrocknet waren. Nur auf der Bauernseite spendeten noch vier tiefe Brunnen Wasser, und waren dieselben Tag und Nacht von der Bevölkerung belagert, um einige Seidel des kostbaren Wassers zu erhalten. Am Himmelfahrtstage (15. August veranstaltete der Pfarrer Johann Josef Michalek nach dem kirchlichen Got¬ tesdienste eine Bittprozession um Erhaltung des Wassers zu den vier Brun¬ nen und segnete sie Ein ebenso heißer Sommer herrschte im Jahre 1834, in welchem die Ortsquellen austrockneten und Wälder und Fluren sich selbst entzündeten Noch durch mehrere Jahre waren die Sommer entweder heiß und trocken oder naßkalt, sodaß durch Jahre Mißernten zu verzeichnen waren. Beson¬ ders das Jahr 1842 zeichnete sich wieder durch große Hitze und Trockenheit aus und führte dieser jahrelange Zustand der Mißernten zu der über Rei¬ chenau hereingebrochenen Hungersnot, unter welcher die arme Bevölkerung durch einige Jahrzehnte zu leiden hatte. Aus Baumrinde, Wurzeln und Klee wurden Suppen gekocht. Aus Kleie gebackene Kuchen (von den alten Leuten „Kleinplatzel“ genannt), galten nur als Leckerbissen für den Sonn¬ tag. Hungertyphus und Lungenschwindsucht waren die Folgen der Unter¬ ernährung für die arme Volksschicht. Die jahrelange Hungersnot und die durch den Fabriksbetrieb im Spin¬ nen und Weben hervorgerufene Verdienstlosigkeit der armen Bevölkerung führte in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zur Abwanderung vieler armer Leute aus Reichenau. Die Bewohner, welche durch ihre Häus¬ chen Reisegeld aufbrachten, wanderten nach Brasilien aus, während die armen Leute ohne Reisegeld ihre Habe auf einem Karren oder im Buckel¬ korbe mit sich führten, von ihrer Schar Kinder begleitet, aufs Land zogen und dort auf Meierhöfen und Kohlenschächten Brot und Arbeit fanden. In der Zeit dieser Auswanderung wurden Häuschen um 200—400 Gulden, grö¬ ßere Häuser mit Grund um 500—700 Gulden verkauft. Nach dem Jahre 1850 verliefen die Sommer meist normalen Witterungsverhältnissen gemäß, auch die im Jahre 1859 eröffnete Eisenbahn trug durch billige Zufuhr von Lebens¬ nitteln mit bei, daß Reichenau von solchen leidensvollen Hungerjahren spä¬ terhin verschont blieb. 9

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