Chronik der Stadt Reichenau

Zeit ihr Schauspiel haben und so wurden von den Klöstern und Gerichten die angeblich vom Teufel oder anderen bösen Geistern besessenen Personen in ein hochnotpeinliches Gerichtsverfahren einbezogen und die armen Delin¬ quenten durch grausame Folterqualen zu einem Geständnis nicht begangener Verbrechen gezwungen und folgte in der Regel die Verurteilung zum Feuer¬ tode auf dem Scheiterhaufen In manchen Museen und Ritterburgen finden sich noch solche Folterwerk¬ zeuge der alten Gerichtsbarkeit. Wie bereits vorher berichtet wurde, gal Kaiser Josef II. am 2. Jänner 1776 ein Gesetz heraus, nach welchem aus menschlichen Gründen in den österreichischen Ländern die Folter bei allen Gerichten für alle Zeit verboten wurde Dem Verfasser stehen zwei Berichte über die letzten Hexenverbrennungen zur Verfügung und sollen als Beweis über die frühere Zeit des Aberglau¬ bens niedergeschrieben werden: Der Beichtvater des Klosters Unterzell verfolgte die Nonne Maria Renate, Freiin Singer von Mossau, mit Liebes¬ anträgen, welche von dieser jedoch abgelehnt wurden. Der Beichtvater sann auf Rache. Nach altem Herkommen erhielt der Beichtvater am Gründon¬ nerstage von den Nonnen Östereier zum Geschenke. Als Maria Renate dem Geistlichen das Ei in die Hand legte, stieß dieser plötzlich einen Schmerzens¬ ruf aus und rief, das Ei sei behext. Er suchte am Dachboden des Klosters ein Wespennest, wühlte mit der Hand darin, bis ihn Wespen stachen und die Hand anschwoll. Das Ereignis kam vor die Fürstbischöfliche Untersuchungs¬ kommission, welche sich der überzeugung zuneigte, das Österei müsse behext gewesen sein, und infolgedessen die Schwester zum Feuertode verurteilte Der Fürstbischof, obwohl er ein aufgeklärter, milder Herr war, mußte im Ansehen der Kirche das Urteil bestätigen, ließ jedoch die Nonne, um sie vor den Qualen des Feuertodes zu schützen, enthaupten und dann erst den Leichnam auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Die Unschuld der Nonne kam jedoch später an den Tag, als der Beichtvater auch andere geistliche Schwestern mit seinen Liebesanträgen belästigte und im Falle der Ablehnung die Nonnen zu verderben suchte. Ein junger Holzträger des Klosters hatte den Beichtvater beobachtet, als er die Wespen reizte und sich die Hand zer¬ stechen ließ. Die Nonne Maria Renate wurde am 28. August 1749 im Klosterhofe in Unterzell enthauptet und auf einem freien Platze vor dem Kloster am Schei¬ terhaufen verbrannt. Am selben Tage wurde der Dichter Goethe geboren Die letzte Verbrennung einer angeblichen Hexe wird im Jahre 1751 geschichtlich aus Westfalen berichtet. Bei einem Bauer gaben die auf die Weide getriebenen Kühe plötzlich rote Milch. Eine alte, im Rufe der Weisheit tehende Frau gab dem Bauern den Rat, auf das erste junge Mädchen zu achten, welches sich zwischen Sonnenuntergang und =Aufgang seinem Hofe nähern würde, diese hätte die Kühe verhext. Der Bauer legte sich auf die Lauer und bemerkte in der Dunkelheit die Tochter seines Nachbars auf seinen Hof zukommen. Das selten schöne Mädchen hatte mit dem Sohne des Bauern eimlich ein Liebesverhältnis und kam auf ein Plauderstündchen zu ihrem Bräutigam. Der abergläubige Bauer rannte sofort zum Pfarrer und auf das Gericht und beschuldigte seine zukünftige Schwiegertochter der Hexerei. Das unschuldige Mädchen wurde eingesperrt und trotz aller angewandten Grade der Folter konnte sie kein Geständnis über die Verzauberung der Kühe ablegen. Sie wurde aber trotz der Beteuerung ihrer Unschuld als Hexe verurteilt und im oben genannten Jahre verbrannt. Erst in späterer Zeit wurde das Rätsel von der blutigen Kuhmilch durch einen jungen Naturwissenschaftler gelöst. Ein Student der Botanik ver¬ 148

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