Chronik der Stadt Reichenau

von Seite des Oberamtes das Gute, daß dem hiesigen Branntweinverschlei¬ zer, einem Juden, der Ausschank verboten wurde, was für Reichenau bei längerem Bestande ein wahres Pestübel geworden wäre. Am 7. Feber 1841 schreibt Anton Ullrich: „Heute abends wurde einem armen Weibe und ihrer Tochter (Lieferklara), während sie bei Gelegenheit einer Hochzeits=Tanzmusik beim Henlein Semmelware feil hatte, ihre Betten nebst einigen Kleidungsstücken gestohlen und obwohl das Dorfgericht sogleich strenge untersuchte, wurde nichts entdeckt und die Arme ist sehr zu bedauern“. Am 27. Feber 1841 lautet die Eintragung: „Gestern abends war in einem kleinen ärmlichen Häuschen eingebrochen worden (Ufetöplhäusl) von dem sogenannten Bauern Franze Süß, war aber von ihr entdeckt worden. Der Schurke hatte ihr mit einer Holzaxt gedroht, war aber doch auf ihren gemach¬ en Lärm geflohen und hatte seine Mütze und ein Stemmeisen verloren.“ „Auch war in der Schmiede gestohlen und der Blasebalg zerschnitten worden. Die Schurken scheinen nach einigen Wochen Ruhe wieder aufzu¬ tauchen“ Die Räuberbande war weit verzweigt und hatte ihre Spießgesellen in der weiteren Umgebung von Reichenberg ins Gebirge und ins Böhmische verstreut. Die Räubereien der Steidlerischen Bande und wohl auch anderer Diebe dauerte bis nach dem Revolutionsjahre 1848, nach dem in Reichenberg und Gablonz k. k. Gerichte und Gendarmeriestationen errichtet wurden. Nach wenigen Jahren saß die gesamte Räuberbande hinter Schloß und Riegel. Einer verriet den anderen und die nahe Gendarmerie hatte nun eichtes Spiel, der Genossen habhaft zu werden. Einige sind in den Straf¬ anstalten gestorben, die meisten aber zu jahrzehntelangen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Wenige von ihnen kamen nach Verbüßung ihrer langen Strafen wieder in ihre Heimat zurück und ernährten sich fortan durch red¬ liche Arbeit Einer der Brüder Krause pachtete nach seiner Rückkehr aus dem Ge¬ fängnisse das Haus Nr. 89 im Niederdorfe und fing dort mit einem alten, chwachen Pferde ein Lohnfuhrwerk an, das sich im Laufe der Zeit zu dem unter dem Namen „Krausebäcke“ bekannten Großfuhrunternehmen mit 3 bis 4 Paar starken Pferden auf dessen Sohn vererbte. Die Fabrikanten und Brauereien der Umgebung deckten meist ihren Bedarf an schweren Pferden aus dem berühmten Stalle des „Krausebäcken“. Der Inhaber des Fuhrwer¬ kes, Josef Krause, verarmte jedoch später und endete durch Selbstmord Am Pfingstsamstage des Jahres 1884 kam wohl der letzte von der Räu berbande, der gewiß noch vielen Bürgern bekannte „Kasimier“ nach Verbü¬ ßung einer 29jährigen Zuchthausstrafe nach Reichenau zurück. Er wurde zu einer 30jährigen Strafe verurteilt, aber wegen guter Führung ein Jahr frü¬ her entlassen. Diese lange Strafe dürfte Kasimier Peukert wohl schwerlich nur wegen der verübten Diebereien erhalten haben, wenn ihn nicht auch Mordtaten belastet hätten. In der damaligen Zeit wurden die Gerichtsverhandlungen noch nicht in den Zeitungen veröffentlicht, so daß die Bevölkerung keinen Einblick in die Strafakten erhielt. Da in Reichenau im obengenannten Jahre kein Gen¬ darmerieposten bestand, wurde Kasimier von der Bahnstation Liebenau von einem dortigen Gendarmen in seine Heimat Reichenau eskortiert. In später Abendstunde kam er in das Gasthaus „Zum Eisenbahnviadukt“ wo er den anwesenden Gästen seine im Gefängnisse ersparten, durch Arbeit verdienten 1400 Gulden zeigte, sowie auch verschiedene Erlebnisse aus seiner Verbrecher¬ laufbahn erzählte. Unter anderem berichtete Kasimier auch über seine Gefan¬ gennahme in Prag. Er war dort von einem Juden, den die Bande beraubt 146

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