Chronik der Stadt Reichenau

Nach dem Anfange des vorigen Jahrhunderts wurden in vielen Häu¬ ern der reichen und auch armen Leute Einbrüche verübt und große wie auch kleine Wertsachen gestohlen. Die Diebe schreckten am hellen Tage nicht davor zurück, um in einzelstehende Häuser einzudringen und dieselben aus¬ zurauben. Bald wußte auch die Bevölkerung, wer die Räuber waren, aber du lieber Gott! die Gerechtigkeit war weit. Das nächste Amt war in Swijan auf der Herrschaft und als einst der Bauer Seiboth aus der Fuchsbresche (Mühl¬ jörge) dort eine Anzeige wegen eines bei ihm verübten Diebstahles vor brachte, fuhr ihn der Herr Amtmann barsch an und sagte: „Bringt mir den Dieb her, daß ich ihn bestrafen kann“ Gerichte und Gendarmerie gab es in der näheren Umgebung noch nicht. Der Bestohlene mußte den weiten Weg nach Jungbunzlau auf das Kreis¬ gericht machen, um eine Anzeige zu erstatten oder eine Beschwerde vorzu¬ bringen. Nach einigen Tagen kam dann von dort ein Gendarm, aber wäh¬ rend der Zwischenzeit waren die Spuren des Verbrechens bereits verwischt. So konnte Steidler durch Jahrzehnte mit seinen Raubgenossen un¬ behindert sein Diebsgewerbe betreiben, ohne den Gerichten zu verfallen. Ein würdiger Kumpan der Gesellschaft wurde der uns bereits bekannte Krause wegen seines Betruges in der Assentierungsangelegenheit und seinen Brü¬ dern. Am hellichten Tage drang die Bande in das unter dem Spitznamen „bei Polden“ bekannte Haus ein und forderte von der allein im Hause an¬ wesenden Frau die Herausgabe ihres Geldes. Da sich das Weib weigerte, das Versteck ihres Geldes anzugeben, wurde sie mit Stricken gefesselt und mit brennenden Kerzen so lange an den Fußsohlen gebrannt, bis sie vor Schmerz gequält die Stelle auf der Bühne (Dachboden) angab, wo sie ihr Geld aufbewahrt hatten. Nachdem die Diebe dann alles ausgeraubt hatten, drohten sie der Frau noch, daß sie die ganze Familie umbringen würden, wenn sie den Diebstahl verrate Es lohnte sich auch nicht, eine Anzeige zu erstatten, denn die Räuber¬ bande war in ihren Schlupfwinkeln von der geringen Gendarmerie nicht zu fassen Nach den Erzählungen der alten Leute fuhr die Räuberbande unter Anführung Steidlers mit einem Frachtwagen auf die großen Jahrmärkte n Reichenberg, Friedland, Turnau, Jitschin, Jungbunzlau, Prag und noch weiter, um die Krämer zu berauben. Die Räuber gingen selbst als Krämer verkleidet und hatten auch leere Krämerkisten auf ihren Wagen, in welche sie das Diebsgut verpackten. Sie bildeten eine Kette hineinander stehender Männer bis zu Verkaufsständen und während einer um eine Kleinigkeit handelte und dessen Aufmerksamkeit auf sich lenkte, stahl ein anderer in einem günstigen Augenblicke irgend etwas wertvolles, einen Ballen Tuch oder anderes und ließ es unter seinen weiten Mantel verschwinden. Der hinter ihm Stehende nahm das gestoh¬ lene Gut sofort in Empfang und reichte es nach rückwärts weiter. Wenn der bestohlene Krämer den Verlust bemerkte und den wahren Dieb beschuldigte, ließ sich dieser ruhig durchsuchen. Die gestohlene Ware blieb eben spurlos verschwunden und war unauffindbar Der alte Johannes Hübner Nr. 27 erzählte, daß die Räuberbande einen vom Ostermarkte in Jitschin nach Böhm.=Leipa heimkehrenden Krämerwagen, mit Schuster =und Schneiderkisten beladen, in der Nacht auf freier Gegend zwischen Bakov und Weißwasser überfallen, die mit auf dem Wagen befind¬ lichen Krämer und Fuhrmann herabgeworfen, verprügelt und des Geldes beraubt hätten und dann im Galopp mit dem Wagen davongefahren wären. 144

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