Chronik der Stadt Reichenau

größere Geldbeträge in gutem Silber mußte Lang seinen Leuten zum An¬ kaufe der Waren anvertrauen. Es soll auch vorgekommen sein, daß er Betrügern in die Hände fiel, welche Ware und Geld in Empfang nahmen und sich nicht mehr bei ihm blicken ließen. Öfters wurde auch den noch unerfahrenen Paschern die Ware von den Grenzjägern konterbande gemacht und Lang hatte das Nachsehen. Ein gewisser Maschke aus dem Niederdorfe wurde auf der Flucht von den Grenzern angeschossen und hiedurch arbeits¬ unfähig. Um ein gerichtliches Nachspiel zu vermeiden, mußte Lang dem Manne eine Summe Geld auszahlen und ihn Zeit seines Lebens erhalten. Auch der Kaschener Bauer und Fuhrwerksbesitzer Preißler (Hanspoul) soll zu Anfang des vorigen Jahrhunderts auf seinen weiten Fahrten die Pascherei im Großen betrieben haben. Er ließ die Ware von Paschern über die Grenze bringen, während er mit leerem Wagen am Zollhause vorüber¬ fuhr und das Paschgut erst am verabredeten Orte auflud und Fuhren von Salz und Gewürz unverzollt in den Böhmischen Städten bis Prag ver¬ kaufte. Eine berüchtigte Pascherbande sollen nach den Erzählungen des alten Hausbesitzers Johannes Hübner Nr. 27 (Kaspern Hanns) auch die Brüder Krause aus Heiligenkreuz gewesen sein, die auf ihren Pascherwegen auch vor Gewalttaten nicht zurückschreckten. Da sie mit Schießwaffen ausgerüstet waren, scheuten sie vor Feuergefechten mit den Finanzern nicht zurück. Ein Schwager der Brüder Krause, der Hausbesitzer Matzig Nr. 243, betrieb die Pascherei gewerbsmäßig bis um das Jahr 1850. Seine Nachkommen waren unter dem Namen „Pascherkinder“ in der Bevölkerung bekannt. Viele Bür¬ ger werden sich gewiß noch der Witwe Helene Lang Nr. 379 erinnern, welche m Volksmunde allgemein die „Pascherlejne“ genannt wurde. Eine andere Tochter, bei welcher der Verfasser die Glasspinnerei er¬ lernte, erzählte oft von den gefährlichen Schleichwegen ihres Vaters. Auf einem Paschwege habe er einmal in einem Walde hinter Grottau zwei volle Tage in einem hohlen Baume sich vor der Verfolgung der Grenzjäger ver borgen gehalten, sei aber dann auf weiten Umwegen mit seiner Hocke glück¬ lich zu Hause angelangt, ohne weiter belästigt zu werden. In seinem Hause habe Matzig einen förmlichen Kaufladen von gepaschten Waren eingerichtet gehabt und die Nachbarn hätten bei ihm eingekauft. Auf einem Rückwege von Sachsen habe er einem Finanzer, der ihn stellen wollte, rasch Pfeffer in die Augen geworfen und sei mit seiner Paschhocke schleunigst entwichen. Zu größeren Unternehmungen vereinigten sich öfters 30 und mehr Pascher, die meisten mit Schußwaffen ausgerüstet, um unter Anwendung von Gewalt im Notfalle durchzukommen. Gewöhnlich gingen einige Männer mit Laub¬ äcken in der Nähe des Zollhauses vorüber, um die Grenzjäger auf falsche Spur zu leiten. Die Haupttruppe kam indessen im weiten Bogen mit ihrem wertvollen Paschgute ungehindert davon. Als unserer Bevölkerung letzt¬ bekannter gewerbsmäßiger Pascher des 19. Jahrhunderts in Reichenau mag wohl Anton Hoffmann Nr. 78 zu bezeichnen sein. Derselbe erzählte später als Gastwirt oft und gern von seinen glücklich verlaufenen Unternehmun¬ gen und behauptete mit Stolz, daß ihm niemals auf seinen Wegen von den Finanzern eine Konterbande abgenommen wurde. Hoffmann befaßte sich hauptsächlich mit der Pascherei teurer Waren, wie Seide, Goldwaren, Medi¬ kamente, verschiedene Balsame, welche bei uns nicht zu haben waren, oder zu viel höheren Preisen. Durch seine lange Erfahrung in diesem Fache wurde er gewitzt und wußte den Finanzern manches Schnippchen zu schlagen. Auf einem Heim¬ bege aus Sachsen wurde er von Kohlstatt ab in der Dunkelheit von drei 142

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2