Chronik der Stadt Reichenau

berglanbischen und unwissenden Bevölkerung von Reichenau ein aufgeklär¬ 1# Volt zu schafsen. Im Jahre 1856 war durch einige Tage am Himmel in Komel aufgetaucht und war von einem Witzbolde auf einen bestimmten on der Weltuntergang prophezeit worden, der auch von der damals noch aberglanbischen Bevölkerung geglaubt wurde. Die aufgeklärten Dilettan¬ ten und Sänger veranstalteten gemeinsam am Vorabende des angekündig¬ ten Weltunterganges bei der Katelliesen einen Abschiedsabend, an dem es semlich hoch herging. Der durch sein Stottern berühmte Maschkebäcker, Nr. 11, sprach im angeheiterten Zustande: „Wenn heute de Walt ne under¬ gieht, krieche ich morne früh off alln Viern ei de Frühmasse“. Der Dosen¬ fabrikant Franz Hofrichter, Nr. 184, nahm ihn beim Worte und wettete mit ihm einen Eimer Bier. Die Nacht verging und die Welt rührte sich nicht vom Platze und blieb stehen. Die anwesenden Gäste mit ihren Frauen waren neugierig auf den Ausgang der Wette und blieben bis früh in trau¬ ter Eintracht bei der Katelliesen sitzen. Gegen Morgen ließ der Schleif¬ nüller für die Frauen Kaffee kochen und holte aus seiner Bäckerei einen Korb neubackener Butterwischel, wofür er auf der Stelle für diese hochher¬ zige Spende vom Vereine zum Ehrenmitgliede ernannt wurde. Endlich brach der Tag an und die Glocke rief die Andächtigen zur Frühmesse in die Kirche. Der Maschkebäcker hielt Wort, warf sich beim Erklingen der Glocke nieder, kroch auf Händen und Füßen auf dem nassen, kotigen Wege zur Kirche, begleitet von den Gästen und einer Schar Neugieriger. Der Maschke¬ bäcker kam aber mit seiner Kriecherei nur bis zur Johannesstatue beim alten Friedhofe, wo er mit seiner Frau zusammentraf, die ebenfalls in die Frühmesse ging und ihren Ehegatten schnell auf die Beine brachte. Der Maschkebäcker gab seine Wette verloren, machte kehrt um und ging, gefolgt von einer Schar Begleiter, wieder zur Katelliesen, wo dann der verspielte Eimer Bier bis auf den letzten Tropfen geleert wurde Viele solche Heldenstücke ließen sich aus jener Zeit noch berichten. Die beiden ersten Vereine Dilettanten= und Gesangverein „Liederkranz fan¬ den in der Bevölkerung mehr Beachtung und Ansehen als in der heutigen vom Vereinswesen übersättigten Zeit. Veteranen=Verein. Im Jahre 1859 kam von Reichenberg Dr. Franz Möller als erster praktischer Arzt nach Reichenau und war derselbe neben seinem Berufe ein Freund gesellschaftlicher Vereinigungen. Selbst Soldat gewesen, ging sein Streben dahin, die alten ausgedienten Soldaten und Invaliden um sich zu sammeln und zu einem Bunde zusammen zu fassen. Sein Verdienst war es, daß im Jahre 1864 die Gründung des Militärveteranen=Vereines voll¬ zogen werden konnte. In der alten Schenke schlugen sie ihr Vereinsheim auf und versammelten sich vierteljährig, um ihre Vereinsangelegenheiten zu besprechen und Quartalsbeiträge von 25 kr. einzuzahlen. Die Uniform bestand ursprünglich aus einem schwarzen Gehrock=Anzug mit Zylinderhut. Nach 3 Jahren wurden die Zylinderhüte durch Offizierskappen ersetzt und die schwarzen Gehröcke mit Blusen vertauscht. Der Reichenauer Veteranen¬ Verein war der erste in der weiteren Umgebung und traten ihm die alten Soldaten von Radl, Daleschitz, Puletschnei, Klitschnei und Kopain bei. Die Veteranen nahmen nun in der Reichenauer Bevölkerung die erste Stelle ein und voll Ehrfurcht und Respekt blickte das Volk auf die Reihen der trammen Veteranen, wenn sie an Kaisers Geburtstage oder bei anderen Festlichkeiten feierlich an der Spitze aller Vereine marschierten, die meisten 04 131

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