Chronik der Stadt Reichenau

Krause mit seinen Brüdern in der Räuberbande Steidler zum Schaden des Ortes und der weiteren Umgebung wieder bemerkbar. Ein ausführliche Schilderung bringt der Verfasser über die berüchtigte und verwegene Räu¬ berbande nach mündlichen überlieferungen der Zeitgenossen in einem spä¬ teren Abschnitte zur Niederschrift In früherer Zeit, als die Ortschaften noch unter dem Herrschaftsjoche tanden, waren die erstgeborenen Söhne der Bauern von der Militärpflicht befreit. Nach dem Revolutionsjahre 1848 trat eine Anderung in der Assen¬ tierungsform ein. Die Rekruten wurden nach dem Bezirksverbande grup¬ piert und gehen jetzt in jeder Gemeinde an dem für sie bestimmten Tage in die nahe Bezirksstadt zur Stellung. In Reichenau kam unter dem Gemeinde vorsteher Franz Ullrich, Nr. 30 (Schenkfranz), der Brauch auf, jedem assen¬ tierten Rekruten einen Gulden aus der Gemeindekassa zum Ankauf einer Soldatenmütze auszuzahlen. Vor der Jahrhundertwende kam ein Gesetz heraus, nach welchem den jungen Vaterlandsverteidigern das Tragen der Militärkappen nur drei Tage nach der Assentierung und drei Tage vor dem Einrücken gestattet wurde, da sich die jungen Burschen in ihren blauen Mützen oft als alte Krieger gebärdeten und es häufig zu blutigen Rau¬ ereien kam. Zu Ende des 19. Jahrhunderts wurde in den österreichischen Ländern eine staatliche Militärtaxe eingeführt, nach der jeder nicht zum Militär¬ dienste taugliche Mann je nach seiner Vermögenslage einen bis hundert Gulden Militärtaxe jährlich zu entrichten hatte. Diese Beträge sollten zur Schaffung eines Fondes zur Unterstützung der Familien der in einem Feld¬ zug eingerückten Reservisten dienen, doch haben aus diesem Fonde die Familien der Mannschaft tatsächlich nichts erhalten, da diese Gelder nur Verwendung zur Unterstützung der höheren Offiziersfamilien fanden. Wie in den Kriegen der Neuzeit, gab es wohl auch auf den Schlachtfeldern in früherer Zeit viele zu Krüppeln geschossene und zerhauene Soldaten. Die Schußverletzungen der früheren Bleikugeln wirkten jedoch viel zersplittern¬ der in den Knochen als die heutigen Stahlmantelgeschosse. Daraus folgert ich, daß diese Knochenzersplitterungen öfters mehrere Amputationen ver¬ schiedener Gliedmaßen bei den Kriegskrüppeln zur Folge hatten. Die heimkehrenden Invaliden aus den Kriegen der Vorzeit erhielten außer den Radetzky=Veteranen keinerlei Rente oder Unterstützung. In den günstigsten Fällen wurden Schwerinvalide mit einer Lizenz für einen Leier¬ kasten beteilt, die ihnen ihre Heimatsgemeinde beschaffen mußte, mit dem sie vor den Haustüren guter Leute ihren Lebensunterhalt erbetteln durf¬ ten. In besonderen Ausnahmefällen wurden manchen Invaliden eine Tabaktrafik bewilligt, als Entschädigung seiner im Kriege eingebüßten Glie¬ der. Bis zum bosnischen Feldzuge im Jahre 1877 erhielten die Familien der in einen Krieg eingerückten Reservisten keinerlei Unterstützungen aus Staatsmitteln. Erst auf Grund der Interpellationen der Volksvertreter im Parlamente wurden den Familien der nach Bosnien eingerückten Reser¬ visten geringe Unterhaltungsbeiträge ausbezahlt Dieser Umstand war Grund genug, daß sich einige noch unverheiratete Reservisten vor dem Einrücken nach Bosnien mit ihren Bräuten trauen ließen, um den jungen Frauen die Unterstützung zu erwirken In diesem Abschnitte ist wohl alles enthalten, was der Verfasser über Krieg, Rekrutierung und Militärwesen aus der alten Zeit bis zum Schlusse des 19. Jahrhunderts in Reichenau ermitteln konnte. Von den abenteuer¬ lichen Einfangen junger Männer zum Militärdienste und dem späteren wei¬ ten Wege zur Assentierung nach Jungbunzlau, sowie der langen Dienst¬ zeit bis zu 18 Jahren ist dank der heutigen besseren Ordnung nichts geblie¬ 123

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