Chronik der Stadt Reichenau

ten von Augenzeugen entstand ein hochnotpeinliches Gericht über den Bäcker Anton Preißler Nr. 2 (Doftbäcke), bei welchem der Preuße die Hefe als Käse geplündert hatte. Der Preuße hatte fürchterliche Leibschmerzen zu ertragen und der herbeigerufene Regimentschirurg konstatierte Vergiftung. Es wur¬ den viele Mittel versucht, bis endlich eine starke Dosis Rizinusöl dem vor Schmerz stöhnenden Preußen Erleichterung brachte. Aber trotzdem wurde der Bäcker in ein scharfes Verhör genommen, bis die Sache ihre Aufklärung darin fand, daß die bei uns gebräuchliche Preßhefe in Preußen unbekannt ist und dort in flüssigem Zustande konsumiert wird.) Bei dem Requirieren ging es übrigens verschieden zu: Einige baten um das, was sie haben wollten, andere verlangten es in einer Weise, das man bei uns Rauben heißt. Die Großsprecherei ist ihnen angeboren, umso mehr bedauerten wir sie, da wir der sicheren Meinung waren, daß sie bei Kos¬ manos alle aufgerieben werden. Das Resultat war aber ein anderes. Vom Rückmarsche hat Reichenau, dank dem Geschicke, nichts empfunden. Nur ein¬ mal kamen 7 Rekonvaleszenten aus verschiedenen Spitälern und suchten ihre Regimenter. Sie waren schon in Jitschin, Prag und Reichenberg gewe¬ en und zuletzt nach Gablonz geschickt worden. Doch wie in der Welt viele Kinder gleiche Namen haben, so war es auch hier nicht Gablonz a. N., son¬ dern Gablonz bei Hühnerwasser gemeint. Sie gingen von hier mit Vorspann über Liebenau, Böhm.=Aicha und Oschitz zu ihren Truppen. Es waren die letzten Preußen, die wir in diesem Feldzuge in Reichenau sahen.“ 0So weit lautet der Bericht über Reichenau aus der Kriegschronik. Noch einige Aufzeichnungen aus dem Buche des Augustin Weiß sollen hier ver¬ merkt werden: „Am 22. Mai 1866 ist großer Frost gewesen, daß die Baum¬ blüte erfroren ist. Am 16. Juni kamen die ersten k. k. Husaren von Fürst Liechtenstein nach Reichenau. Den 10. Juni hat Preußen Österreich den Krieg erklärt und den 24. Juni kamen die ersten preußischen Husaren um 2 Uhr nachmittags. Den 25. Juni der Angriff bei Jilowei und Scharchen, den 28. Juni Angriff bei Jitschin und Bakov von 9 Uhr früh bis abends. Am 28. Juni die ersten zwei preußischen Lokomotiven auf der Bahn durch gefahren. Am 1. Juli war der Preußenkönig in Reichenberg. Am 2. Juli Verwundetenzüge mit der Bahn durch Reichenau gefahren. Am 3. Juli große Schlacht bei Horschitz und Königgrätz. 40.000 Mann gefallen, täglich drei bis vier Züge mit Verwundeten durch Reichenau gefahren.“ Zu bemer¬ ken ist noch, daß nach Beendigung des Krieges durch eine Kommission aller durch die Preußen verursachte Schaden ausgenommen wurde und die Geschä¬ digten und Verlustträger aus der Staatskasse voll entschädigt wurden. Reichenau erhielt die Summe von 4241 Gulden 94 Kreuzer als Kriegs¬ entschädigung, der Bezirk Gablonz 62.557 Gulden und das Land Böhmen 624.116 Gulden. Im Oktober fing die Cholera an und erlagen derselben bis zu ihrem Erlöschen im November 17 Personen. Im Jahre 1877 fand in Berlin eine Konferenz der europäischen Gro߬ mächte zur Unterdrückung der sich immer wiederholenden Aufstände der Balkanvölker statt. Österreich erhielt auf dieser Konferenz das Mandat zu¬ gjeteilt, in Bosnien mit Waffengewalt einzurücken. In dem damals noch deutsch regierten Österreich sträubten sich die deutschen Minister und Ab¬ geordneten gegen die Einverleibung noch eines slawischen Volksstammes in das Staatsgefüge. Im Parlamente mußte jedoch eine Mehrheit für die Annahme der Annektion geschaffen werden und da die deutschen Volks¬ vertreter hiefür nicht zu haben waren, suchte der damalige Ministerpäsident gefügige Werkzeuge unter den Polen und Tschechen, welche auch bereitwillig ür die Besetzung Bosniens und der Herzegowina stimmten. Mit diesem 126

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