Chronik der Stadt Reichenau

Österreich hatte im Jahre 1866 Krieg mit Italien und diesen Umstand be¬ nützte Bismarck und erklärte Österreich ebenfalls den Krieg. In Italien war der kriegskundige Erzherzog Albrecht Oberbefehlshaber und über die Nordarmee übertrug der Kaiser den Oberbefehl dem Freiherrn von Benedek, dem jedoch die strategischen Kenntnisse fehlten. Dem österreichischen Heere waren die Heere der Südstaaten Bayern, Hannover und Sachsen verbündet Unsere Kommandanten kannten jedoch nicht einmal die Uniformen unserer Verbündeten und so kam es, daß die bei Swijan zu unseren Truppen sto¬ ßenden Sachsen für Preußen gehalten und von unserem Militär beschossen und in die Iser getrieben wurden. Die Hannoveraner mit ihrem blinden König Wilhelm wurden in Sach¬ en=Vogtland von Bismarck'schen Kurieren in österreichischer Uniform wo¬ chenlang aufgehalten mit dem Befehle, sich dort in Reserve zu halten, denn m Vogtlande würde es zum Haupttreffen kommen. Und so blieb König Wilhelm dort lagern, bis der Krieg zu Gunsten Preußens entschieden wurde. 18.000 Hannoveraner mußten sich am 29. Juni 1866 bei Langensalza (bei Erfurt) ergeben. über die Preußeninvasion in den nordböhmischen Ort¬ schaften hat A. Jahnel in Reichenberg eine Chronik herausgegeben und wurde dieses Buch dem Verfasser dieser Heimatsgeschichte vom Tischlermei¬ ster Josef Sammel zur Verfügung gestellt. Der Wortlaut über Reichenau aus dieser Kriegschronik sei hier wort¬ getreu wiedergegeben: „Am 24. Juni 1866, beiläufig um 3 Uhr nachmittags, kamen zwei feindliche Husaren, denen in kurzer Zwischenzeit mehrere und mehrere folgten, nach Reichenau. Ihr erstes Auftreten war ganz merkwür¬ dig anzuschauen; ganz ohne Scheu benahmen sie sich, wie wenn es zum Be¬ uche und nicht gegen den Feind ginge. Sie fragten nur nach Österreichern und ritten ruhig hin und her. Auch von unserem Militär sprengten noch Patrouillen auf und ab, die letzten Kaiserlichen, die wir hier gesehen. Am 25. Juni vormittags spreng¬ ten abermals preußische Patrouillen hierhin und dorthin. Auch erfolgten einzelne Durchmärsche. Gegen Mittag rückten zwei Kompagnien Infanterie ein und zogen teils hinter die Plane gegen Kaschen, teils lagerten sie nächst der Eisenbahn bei der Sandgrube am Wege zur sogenannten Fuchsbresche und blieben daselbst zwei Tage. Jedes Nachbarhaus brachte anfangs bereitwillig Eßwaren, in der Mei¬ nung, sie auf diese Weise früher fortzubringen. Doch bald kam die Enttäu¬ schung. Gegen zwei Uhr rückte eine Requisitionstruppe von den Infanterie¬ regimentern Nr. 27 und 67 unter Anführung eines Obrist=Leutenants, bedeckt von vielen Husaren nach und nach ein und nahm bei der Kirche Postum. Man schickte zum Bürgermeister und verlangte binnen zwei Stunden 4800 Pfund Brot, 730 Pfund Fleisch, 232 Pfund Reis, 32 Pfund Kaffee, 56 Pfund Salz, 2120 halbe Biere oder Schnaps, 130 Pfund Tabak, 56 qu. Hafer, 14 qu. Stroh und 20 qu. Heu. Alle diese Sachen mußten von der Gemeinde auf eigenen Wagen nach Gablonz geführt werden, und da sich die Herbeischaffung etwas in die Länge zog, so geriet der Obrist=Leutenant in Zorn und befahl seinem Adjutanten in das Dorf zu reiten und von Haus zu Haus zu reiten und das Vieh her auszunehmen, um zu sehen, was das Dorf habe In kurzem war die Straße voll Vieh, jedes Haus, auch wenn es nur eine Kuh hatte, wurde geleert, der Jammer und das Angstgeschrei war ent¬ setzlich anzuhören. Durch vieles Drängen und Bitten ließ sich der Obrist¬ Leutenant beschwichtigen und gebot Einhalt zu tun. Dessen ungeachtet nahn man statt den verlangten 730 Pfund Fleisch 17 Kühe mit fort. Der beschei¬ 123

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