Chronik der Stadt Reichenau

feindlichen Reiterregimenter gingen über, dafür aber traf die erhoffte Ver¬ stärkung leider nicht ein. Nach weiteren 12 Tagen beängstigte der Feind die hiesige Gegend, dann zog er sich ins Sächsische zurück. Im Jahre 1809 wurde in den österreichischen Ländern eine freiwillige Kriegssteuer eingehoben, welche in Reichenau 119 fl. ergab. Die mißlichen finanziellen Verhältnisse durch den Franzosenkrieg führten in der Monarchie im Jahre 1811 zum Staatsbankerott. Am 20. März erschien das Finanzpatent, nach welchem 100 fl. Bankozettel nur noch 20 fl. galten. Mitte Juli gelangten die Einlösungsscheine zur Ausgabe. Die reichen Leute erlit¬ ten hiedurch großen Geldschaden, viele büßten ihr ganzes Vermögen ein. Große Not und Teuerung entstanden in der Bevölkerung. Später wurde zur Deckung der beträchtlich angewachsenen Kriegsschul den eine staatliche Kopfsteuer eingeführt und jeder über 18 Jahre alte Ein¬ wohner mußte 30 kr. zahlen. Viele Männer und Burschen brachten jedoch diesen für die damalige Zeit immerhin ansehnlichen Betrag nicht auf und mußte derselbe von der Gemeinde oder vermögenden Leuten für die Armen gezahlt werden Mehrere Burschen und Männer kamen aus den Franzosenkriegen nicht mehr zurück und blieben verschollen, während 6 Mann als Krüppel heim kehrten Es folgten dann die italienischen Kriege, welche im Jahre 1859 zu einer Niederlage Österreichs führten, aber im Jahre 1866 siegreich durch den Erz¬ herzog Albrecht beendet wurden. Auch in diesen Kriegen wurde die gesamte Reservemannschaft zu den Fahnen gerufen. Viele Reichenauer machten diese Feldzüge mit. Die damalige Dienstzeit betrug noch 18 Jahre und die heimkehrenden Soldaten kamen als bejahrte Männer in die Heimat zurück. Unsere älteren Bürger werden sich gewiß noch einiger solcher Veteranen erinnern, welche unter dem Generalfeldmarschall Radetzky die italienischen Feldzüge mitgemacht hatten: Augustin Ullrich (Friedls Angstin) hatte beide Hände zerhauen, Franz Massopust Nr. 189 (Teichfranz), Anton Hartig Nr. 192 und noch andere. Radetzky hatte für seine Invaliden und Veteranen einen bedeutenden Fond gestiftet, aus welchem seine Mitkämpfer anfänglich nur kleine Renten erhielten. Aber mit dem Ableben jedes einzelnen Veteranen wuchs die Zu¬ lage für die anderen, sodaß die letzten ganz ansehnliche Beträge ausgezahlt erhielten. Noch mitten in den italienischen Kriegen zogen im Dezember 1863 auch die österreichischen Heere mit Preußen in den Schleswig=Holsteinischen Krieg um im Jahre 1864 im raschen Siegeslaufe die Elbeherzogtümer von der dänischen Herrschaft zu befreien Die österreichischen und preußischen Heere ahnten in diesem gemeinsa¬ men Feldzuge wohl nicht, daß sie sich in der kurzen Zeit von nur zwei Jah¬ ren als Feinde gegenüberstehen würden. Und doch kam es so Der preußische Staatsminister Bismarck trug sich mit dem Plane, aus den 32 deutschen Ländern und Ländchen, welche von ebenso viel Potentaten regiert wurden, ein großes geeintes Deutschland zu schaffen. Diesem Vorhaben stand aber der österreichische Kaiser Franz Josef I. als Hindernis im Wege, einesteils, weil die von Dänemark eroberten Pro¬ vinzen Schleswig=Holstein unter gemeinsamer Verwaltung Preußens und Österreichs standen, andernteils, weil der österreichische Kaiser oberster Bun¬ desfürst über die deutschen Südstaaten war. Aus diesem Grunde mußte das kleine Preußen das große Österreich in einen Krieg verwickeln, den es dank seiner neuzeitigen Zündnadelgewehre von vornherein zu gewinnen hoffte. 122

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