Chronik der Stadt Reichenau

Häscher wieder fort waren. Viele hielten sich über die ganze Zeit der Häscher¬ perioden in den Wäldern auf. Beim Scheunbäcken hatte sich ein Sohn in dem Backofen versteckt und war darin fest eingeschlafen. Sein Vater, welcher von dem Versteck des Sohnes nichts wußte, machte Feuer zum Backen in den Ofen und der Sohn kam mit schweren Brandwunden aus dem angeheizten Backofen herausgekrochen. Ein anderer Bursche versteckte sich in der vor Jahren abgetragenen Brettschneidemühle bei der Sensemühle unter der Sägespänen. Das Versteck wurde den Häschern von einem eingefangenen Rekruten verraten. Die Häscher stachen in den Sägespänen herum und fan¬ den den Burschen erstickt vor. Außer den Häschern zogen auch noch Werber von Ort zu Ort, um für den erhöhten Soldatenbedarf in Kriegszeiten durch prahlerische Reden und Branntwein Soldaten zu gewinnen. Durch Trommeln lockten sie Neugierige zu ihrem Standplatze. Durch ein Handgeld und den reichlichen Branntwein¬ genuß ließ sich mancher Bursche bewegen, in den Militärdienst zu treten Auch im 7jährigen Kriege (1756 bis 1763) hatten die Werber ihr Lager auf den freien Platz vor der alten Schenke Nr. 30 (heutige Krone) aufge¬ schlagen und lockten durch ihre Trommel das Volk herbei. Die jungen Män¬ ner, die, durch den ihnen geschenkten starken Schnaps ihrer Sinne beraubt, ihr Jawort gaben und das Handgeld annahmen, wurden sicher verwahrt und am nächsten Tag auf Fuhrwerken nach Jungbunzlau überführt, wo sie gleich in die Soldatenmontur gesteckt wurden und oft erst aus ihrem Schnapsrausch erwachten und ihre Reue zu spät kam. Nach Berichten alter Leute soll es bei dieser Rekrutenanwerbung in Rei¬ chenau zu einem großen Raufhandel zwischen der Bevölkerung und den Werbern gekommen sein. Schusterjörg, der Vater eines im betrunkenen Zu¬ stande angeworbenen Rekruten, beredete seine Freunde und Nachbarn, ihm einen Sohn, welcher mit anderen über Nacht in der Schenkschenne ein¬ jesperrt war, befreien zu helfen. In der Nacht zogen die Befreier, mit Dresch¬ flegeln und Heugabeln bewaffnet, vor die Schenke, überwältigten den vor dem Scheunentore stehenden Posten, drangen in die Schenke ein und ver¬ trieben die dort noch zechenden Werber, wobei es zu einem Handgemenge kam und die Werber mit blutigen Köpfen abziehen mußten. Hierauf wur¬ den die angeworbenen Burschen aus der Scheune befreit, wo sie betrunken am Stroh schliefen und nach ihrer Ernüchterung froh waren, daß ihre Mili¬ tärzeit nur eine Nacht gedauert hatte. Wie bereits früher berichtet wurde, ließ sich auch Johann Georg Schöffel der Vater des Begründers der Reichenauer Dosenfabrikation Johann Schöf¬ sel, im 7jährigen Kriege zu den Preußen anwerben In den Kriegen der früheren Zeit kam es öfters vor, daß die Männer aus einer Familie bei österreichischen und feindlichen Regimentern dienten und sich am Schlachtfelde feindlich gegenüber standen. Nach dem 7jährigen Kriege wurde unser Reichenau ohne lange Ruhe¬ pause wieder von einem Aufstande böhmischer Bauern bedroht, welche am 26. März 1775 in der Stärke von 700 Mann die Pfarrei stürmen wollten. Eine nähere Beschreibung dieses überfalles ist bereits früher ausführlich erwähnt. Bereits 3 Jahre später kam es zu einem neuerlichen Bauernaufstande, welcher wegen des Joseffinischen Freiheitspatentes in den Jahren 1778 bis 1780 das böhmische Land durchwühlte. Auch Reichenau bekam diesen Aufstand zu spüren. Nach dem Berichte Schwarzeckers durchzogen tschechische Bauern¬ haufen den Ort und es kam zwischen unserer zufriedenen Einwohnerschaft 119

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