Chronik der Stadt Reichenau

Bauernwirtschaften wurden nun beim Ableben des Vaters unter die Söhne zerteilt und die verheirateten Töchter erhielten in vielen Fällen eine Grund¬ parzelle zum Bau eines Häuschens. Die großen Bauerngüter sind heute in kleine Wirtschaften von 15 bis 50 Strich zergliedert. Das große Hanspoul¬ gut in Kaschen ist in 5 Wirtschaften zerteilt. Die ehemalige große Rößler¬ wirtschaft ist auf 8 Besitze zergliedert. Ebenso geschah es mit dem Schwarz¬ bauerngute Nr. 124 (jetziger Eigentümer Tobias Rilk), des großen Besitzes der Familien Seiboth in der Fuchsbresche, zu welchem auch das ganze Vogt¬ land gehörte. Dieses Gut ist jetzt unter die 3 Familien Miljörge, Bendel und die Pieterfamilie, sowie verschiedene Hausbesitzer zergliedert. Auch die ehemals zusammengehörenden Pietschbauer= und Tischernazwirtschaften übergingen durch Erbteilung in verschiedene Besitze, darunter auch die Häuser Nr. 86 bis 99. Erwähnt sei noch die Kaschenwirtschaft, welche heute in die Neubauer=, Lucke= und Ladenwirtschaft aufgelöst wurde Leider war es dem Verfasser nicht möglich, trotz der angewandten Mühe die von den großen Besitzen zu entrichtenden Steuern und Abgaben an das Land und an die Herrschaftskassen zu ermitteln. Wie früher die Untertanen wahllos in die Heere gepreßt wurden, so geschah es später auch in Friedens= und Kriegszeiten durch die staatlichen Militärbehörden. Im 30jährigen Kriege wurden Burschen und junge Män¬ ner von Freund und Feind zu den Soldaten genommen. Nach dem 30jährigen Kriege folgte der nordböhmische Bauernaufstand welcher sich jedoch hauptsächlich im Niederlande und auf der Herrschaft Hains¬ pach abspielte. Wie immer, wurde auch dieser Aufstand blutig niedergeschla¬ gen, die Anführer gehängt und jedem zehnten Bauer die rechte Hand ab¬ gehauen Es folgten nun einige Jahrzehnte der Ruhe und das Volk hatte nach langer Leidenszeit eine Erholungspause. Bei dem damaligen reichen Kin dersegen in den Familien erstarkte die Bevölkerungszahl rasch bedeutend. Im Jahre 1756 kam es zwischen dem landhungrigen Preußenkönige Friedrich und der Kaiserin Maria Theresia zum 7jährigen Kriege, in wel¬ chem Österreich von den Preußen das große und reiche Schlesien entrissen wurde. Auch in diesem Kriege fand eine Massenrekrutierung wie allerorts auch in Reichenau statt Da die heutige Assentierung in jener Zeit noch nicht eingeführt war, wurden die jungen Männer mit List oder Gewalt in die Regimenter gesteckt. Schwarzecker schreibt in seinem Buche: „Bei der Einbeziehung der Re¬ kruten zum Militärdienste herrschte in früherer Zeit bis zur Einführung der gesetzlichen Stellungspflicht je nach Krieg und Frieden oder nach Rang und Vermögen ein willkürlicher Vorgang. In Friedenszeiten kamen die Häscher, bestehend aus einem Korporal und 6 bis 8 Mann. Nach Erkundigung beim Richter oder am Pfarramte nach der Anzahl der zum Militärdienste fähigen jungen Männer begann das Suchen und die Jagd nach den jungen Kerlen. Der Korporal hatte eine bestimmte Anzahl Rekruten aus jeder Gemeinde zu liefern und erhielt ein Kopfgeld für jeden stelliggemachten Mann. Manche Burschen ließen in Ermangelung lohnender Arbeit oder aus Hang zum Abenteuerleben sich freiwillig anwerben in der frohen Erwartung auf bal¬ diges Vorrücken zum Korporal oder auf reiche Beute im Kriege Sobald die Anwesenheit der Häscher im Orte bekannt wurde, versteckten sich die meisten militärpflichtigen Burschen an allen geeigneten und ungeeig¬ neten Orten. Die in allen Häusern sich befindlichen Backöfen waren für nanche ein beliebtes Versteck, andere krochen unter das Heu oder Stroh au dem Dachboden oder in der Scheune, wo sie oft so lange zubrachten, bis die 113

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