Chronik der Stadt Reichenau

wurden von den Werbern und Häschern zum Militärdienste geworben oder eingefangen. Zu jener Zeit war es allgemeiner Brauch, daß Soldaten ihre Weiber oder Bräute mit in die Feldlager nahmen, wo sie mit Kochen und Waschen genügend Beschäftigung fanden Von den in unserer Gegend lagernden oder durchziehenden Kriegshee¬ ren der verschiedensten Nationen waren von unseren Vorfahren die Schwe¬ den und Kroaten am meisten gefürchtet, da deren blindwütende und mord¬ gierige Grausamkeit nicht zu überbieten war Von unseren Vorfahren wird durch mündliche überlieferung berichtet, daß sie auf den Bergen der Umgebung Wachen aufstellten, welche beim nahen der Kriegshorden Feuer anzünden mußten, worauf die Bewohner mit ihren wertvollen Habseligkeiten in die Wälder und Schluchten geflohen seien. Die Schweden haben kleine Kinder auf ihre Lanzen gespießt oder bei lebendigem Leibe auf dem Ofen zu Tode geröstet und Frauen und Mädchen die Brüste abgeschnitten. Die Kroaten wurden als noch unmenschlichere Kreaturen geschildert, die mit Vorliebe die Menschen in ihren Häusern ver¬ brannten. Wenn ihre Forderungen von den Leuten nicht erfüllt werden konnten, zündeten sie das bewohnte Haus an, umstellten dasselbe mit gela¬ denen Gewehren und schossen jeden nieder, der das brennende Haus verlas¬ en wollte. Zu berücksichtigen ist noch der Umstand, daß die Schweden unsere Feinde waren, die Kroaten aber unser eigenes österreichisches Militär. Der Chronikschreiber Josef Benesch berichtet über die grauenhafte Zeit des 30jährigen Krieges: „Das war kein Krieg mehr, sondern nur noch ein Morden, Sengen, Rauben und Schänden. Wohin die Landsknechte kamen, roch es nach Blut und loderten Feuersbrünste auf. Der Bauer ackerte nicht mehr, denn das Korn wurde ihm abgenommen oder auf den Feldern zer¬ stampft. Das Vieh war längst in die Feldlager getrieben und von den der Kriegshorden verzehrt. Beim Einbruche der Nacht ertönte das Geheul Wölfe, Gestrüpp wucherte auf Feldern und Wiese. Schwarzecker schreibt: „Nach Beendigung des 30jährigen Krieges im Jahre 1648 hatte Reichenau mehr Häuser als Menschen, so hatten die ein¬ geschleppten Seuchen und der lange Krieg das frühere volkreiche Dorf zu¬ gerichtet. Sechs Brandstätten hatte der Ort durch die Kroaten als Andenken und nicht mehr als ein Dutzend Rinder in den Ställen. Mancher Bauer war froh, noch eine Milchziege im Stalle zu haben. Zu den Feldarbeiten mußte mancher Bauer sein Weib und Kinder vor den Pflug spannen, um ein Stückchen Feld für Brotgetreide bearbeiten zu können. Die ganz armen Leute siechten vor Hunger und Elend dahin“. Als der böhmische Landtag nach Beendigung des Krieges im Jahre 1654 durch eine Erhebungskommission zur Erfassung der steuerpflichtigen Guts¬ höfe und Bauernwirtschaften aufnehmen ließ, gab es in Reichenau von den früheren 13 großen Wirtschaften nur noch 4, so hatte der Krieg das große Bauerndorf in eine Wüstenei verwandelt. Steuerpflichtig war der ganze Bauerngrund, Bemessungseinheit war die ganze Hube. War sie geteilt wurde auch die Steuer geteilt. Erst nach einer Verordnung vom Jahre 1710 wurde das alte widersinnige Gesetz vom Jahre 1580 außer Kraft gesetzt, nach welchem in früherer Zeit die Bauernhöfe nicht zerteilt werden durften, was zur Verarmung der jüngeren Bauernsöhne und =Töchter führte, da in der Regel der erstgeborene Sohn die Wirtschaft erhielt und die anderen Ge¬ schwister nur kleine Erbteile oder auch gar nichts von dem Besitze erhielten und als Taglöhner oder Dienstboten ihr Leben fristen mußten. Der Ort Reichenau gewann durch diese Verordnung viele Neubauten. Die großen 117

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2