Chronik der Stadt Reichenau

nahmefälle meist harmlos. Mehr Todesopfer fordert die seit einigen Jahren bei uns eingeschleppte „spanische Grippe“ In der heutigen Zeit der Hochkultur an Arzten und Medikamenten, Impfungen gegen jede Art von Krankheiten, die weitgehende Reinlichkeit und Körperpflege durch Bäder, sowie der neuzeitigen gesunden Wohnungs¬ verhältnisse wäre ein so lange Dauer von Infektionskrankheiten und deren Ausbreitung über weite Gebiete nicht mehr gut möglich In früherer Zeit, noch bis vor 50 Jahren, wohnten bei den ärmeren Volksschichten oft mehrere kinderreiche Familien in einer kleinen Stube dicht beisammen. Die Mietparteien und Aftermieter zahlten wenige Kreuzer Wohnungsbeitrag, hatten aber für das nötige Feuerungsmaterial zu sorgen, welches sie aus den Bauernbüschen und herrschaftlichen Waldungen als dür¬ res Reisig oder Stöcke ohne Bezahlung holten. Abends wurde am Fußboden aus Stroh oder Laub eine Bochte gemacht und darauf schliefen Große und Kleine untereinander. Der Fußboden, welcher oft nur aus gestampftem Lehm bestand, bot reichlichen Nährboden für allerlei Krankheiten, hauptsäch¬ lich die Lungenschwindsucht, welche sich von Eltern auf Kinder vererbte und oft ganze Familien dahinraffte. Staatliche und private Fürsorge für die Kranken, wie unsere heutige Jugendfürsorge und Lungenheilanstalten gab es in jener Zeit nicht, so daß die an der Lungenschwindsucht Leidenden elend dahinsiechten. Unsere heutige Jugend wächst unter besseren Gesundheits=, Wohnungs¬ und Lebensverhältnissen heran, schon in der Schulzeit werden die jungen Körper durch Turnen und Schwimmen wie auch anderen Sport gegen Krankheiten widerstandsfähig gemacht Noch eine heitere Episode aus trauriger Zeit soll hier vermerkt werden. Es war nach dem Berichte Schwarzeckers in der Cholerazeit vom Jahre 1831, als die Cholerakranken im Hause Nr. 25 untergebracht waren. Die Krank¬ heit war bereits erloschen und die Leute hatten das Haus schon verlassen. Eine Kontrolle und Meldepflicht wurde nicht durchgeführt. Diesen Umstand machten sich einige verwegene Männer zu Nutze. Sie schlichen sich in der Nacht des¬ elben Tages, an welchem die dort untergebrachten Choleraverdächtigen das Haus verlassen hatten, ein, und ließen sich mit geschwärzten Gesichtern gelegentlich an den Fenstern sehen, um den Anschein zu erwecken, daß das Haus noch von Cholerakranken bewohnt sei. Die Fleischhauer stellten weiter die von der Gemeinde bezahlte Suppe und Lebensmittel vor die Haustür und läuteten, worauf die Sachen au immer im Hause verschwanden. Diese Verpflegung nahm durch längere Zeit ihren ungestörten Verlauf. Die Cholera war in der Umgebung schon überall erloschen, nur in Reichenau wollte sie kein Ende nehmen. Da kam eines Tages der Kreisarzt von Jungbunzlau mit einem Herr¬ schaftsbeamten von Svijan zur Kontrolle, drangen in das von innen ver¬ chlossene Haus ein und stellten den durch längere Zeit verübten Schwindel est; seit diesem Tage verschwand auch die Cholera aus Reichenau. Die Missetäter mußten zur Strafe in Swijan vier Wochen Robotarbeit verrichten. Kriege in alter und neuer Zeit Rekrutierung. So weit sich die Geschichte der Völker bis in das graue Altertum zurück verfolgen läßt, hat es immer Streit und Krieg wegen irgend einer kleinen oder großen Ursache gegeben. Zum Teil entsprangen diese Kriege wegen 114

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2