Chronik der Stadt Reichenau

Reichenau verlief diese Choleraperiode noch günstig, da nur wenige Leute derselben zum Opfer fielen Fremde Durchreisende mußten drei Tage in Kontumazhaft behalten wer¬ den und wenn sich in dieser Zeit keine Anzeichen von Cholera bemerkbar machten, wurde ihnen die Weiterreise freigegeben. Im Jahre 1850 kam die Cholera wieder in unsere Gegend und starben auch in Reichenau drei Personen. In dieser Zeit hatten die Arzte schon wirksame Desinfektions= und Heilmittel erfunden, so daß die Seuche in kur¬ zer Zeit wieder erloschen war. Nach den Preußenkriegen im Jahre 1866 trat die Cholera zum letzten Male in Reichenau auf. Sie wurde von den aus den Schlachtfeldern zurück¬ kehrenden Preußen bei uns eingeschleppt. Wenn in Reichenau die Krankheit nur kurze Zeit herrschte, forderte sie doch mehrere Opfer. Im Hause Nr. 90 im Niederdorfe (beim Tepperbecken) starben an einem Tage drei Familien¬ mitglieder, im ganzen 17 Personen im Orte Noch eine gefährliche und ansteckende Krankheit überflutete unsere Ge¬ gend zu Beginn des 19. Jahrhundertes. Es war die rote Ruhr, welche aus dem böhmischen Flachlande bis an die sächsische Grenze vordrang. In Rei¬ chenau starben in den Jahren von 1810 bis 1812 insgesamt 12 Personen an der roten Ruhr. Nach einem mündlichen Berichte des Hausbesitzers Johan¬ nes Hübner Nr. 27 (ahle Kasperhonns) wurden die Leichen der an der Ruhr Gestorbenen nicht auf dem neuen Friedhof bei der Kirche beerdigt, sondern in einer Ecke des alten Friedhofes. Pfarrer Josef Neubner habe die Leichen stets vor Sonnenaufgang eingesegnet. In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts trat infolge einiger Mißernten und die hiedurch entstandene Unterernährung der armen Volks¬ chichten im großen Umfange der Hungertyphus auf, welcher in den Jahren 1846 und 1847 viele Opfer forderte. Die Familie Christoff Peukert wollte dem Unheil entrinnen und wanderte mit sechs Kindern aufs Land, um dort Arbeit und Brot zu suchen. Die Leute kamen aber nicht weit, hinter Böhm. Aicha starben zwei Kinder und in Hirschberg erlag der Mann dem Hunger¬ typhus. Die Frau mit vier Kindern kam per Schub nach Reichenau zurück Eine Krankheit, die noch ihre Merkmale nach der Genesung, hauptsächlich im Gesicht, zurückläßt, sind die Blattern. Seit undenklichen Zeiten trat diese äußerst ansteckende Krankheit in unserer Gegend auf und auch Reichenau wurde öfters von ihr heimgesucht. So weit die Nachrichten zurückdatieren, hielten die Blattern gleichzeitig mit der Pest zu Ende des 17. Jahrhunderts reiche Todesernte unter unserer Bevölkerung. Schwarzecker berichtet, daß nach dem Erlöschen der Blattern in jener Zeit in Reichenau die Hälfte der Menschen von Blatternarben entstellt war. In den Jahren 1787 bis 1800 lutete wieder eine Blatternwelle durch Nordböhmen und wurde auch Rei¬ henau von ihr durch nahezu zwei Jahre in Mitleidenschaft gezogen. In beträchtlichem Maße traten die Blattern im Jahre 1862 auf. Einzelne Fälle von Blatternerkrankungen waren im Laufe der Zeit öfters zu verzeichnen. Nach der Reichenauer Schulchronik wurde wegen der Blattern öfters der Unterricht unterbrochen, um die Ansteckungsgefahr unter der Schuljugend zu verhindern, so zum letzten Male in den Jahren 1887 und 1888, in welcher Zeit die Blattern in Reichenau mehrere Opfer forderten. Außer den bisher beschriebenen, für die Menschheit so ansteckenden Krankheiten treten noch verschiedene, jedoch minder gefährliche Krankheiten unter Erwachsenen und Kindern periodisch auf und sind es der Scharlach Diphtheritis, Masern und seit neuerer Zeit die Influenza. Bei rechtzeitiger Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe verlaufen diese Krankheiten bis auf Aus¬ Wilhelm Preißler: „Chronik der Stadt Reichenau“. 8 113

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