Chronik der Stadt Reichenau

ten. An der unteren Scherklinge war ein Blechkästchen angebracht, in welches die abgeschnittenen Dochtenden fielen Wie ein Lauffeuer ging um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Freudenbotschaft durch Reichenau: „Der Papiermüller und der Fabrikenherr haben von Prag ein neues Licht mitgebracht, das leuchtet so hell wie die Sonne“. Und es war wirkliche Tatsache. Neue Petroleumlampen erstrahlten in herrlichem Lichte und die trüben Ollämpchen sahen daneben aus wie Glühwürmchen. Viele Leute gingen sich aus Neugierde die Wunderlampen ansehen und wer das nötige Geld hatte, holte sich in Reichenberg eine solche Wunderlampe und eine Flasche Petroleum. Wohl kam es in der ersten Zeit öfters vor, daß sich Unvorsichtige an den heißen Zylindern die Finger ver¬ brannten, oder den Docht über den Spalt des Hütchens hinausschraubten, wodurch nur ein trübes Licht entstand und der Lampenzylinder bald voll¬ berußt war. Aber bald kamen die Leute hinter das Geheimnis der richtigen Behandlung der Lampen. Als erster schaffte der Kaufmann Josef Penkert Nr. 54 (Bargschneider) ein großes Faß Petroleum an und auch der Klempner verfertigte Lampen, so daß sich die Petroleumbeleuchtung in Reichenau bald allgemein ein¬ bürgerte Der Instrumentenmacher August Hofrichter Nr. 281 in Hinterbusch (Ka¬ telsaugust) stellte eine Neuerung in den Lampen her, indem er in Porzellan¬ teller die Löcher für die Zylinder bohrte. Der Klempner umgab die Teller mit der nötigen Blechfassung und wohl noch heute sind in alten Häusern noch solche Porzellantellerlampen als Reliquien aufbewahrt. Nur wenige Jahr¬ zehnte erfreute sich die Petroleumlampe in Reichenau der Gunst der Be¬ völkerung, denn rasch war im Jahrhunderte der Erfindungen ihr Glanz erloschen. Ein neues Licht war wieder im Anzuge. Es war die elektrische Beleuchtung, welche in den Städten schon seit einigen Jahren eingeführt war. Im Jahre 1893 wurde in der Puletschneier Mühle vom Fabrikanten Anton Schmidt aus Friedstein ein Elektrizitätswerk errichtet und die Lei¬ tung in die Gemeinde Reichenau gelegt. Viele Arbeitskräfte waren beschäf¬ tigt, die Holzmasten aufzustellen, Monteure verstrickten den Ort in ein Netz von Drähten, gegenüber dem Hause Mühlgasse Nr. 38 wurde ein Akkumula¬ torenhaus gebaut, von welchem der elektrische Strom über den Ort verteilt wurde. Dieses Häuschen erhielt im Volksmunde den Namen „Funkenhäusel“ Es ergaben sich während des Baues bei Anton Schmidt jedoch Geldschwierig¬ keiten, welche den Bau verzögerten und die Inbetriebsetzung des Werkes hinausschoben Endlich, am 28. Jänner 1894 erstrahlten die Räume in der Dämmerung plötzlich und unverhofft in elektrischer Beleuchtung. Anton Schmidt behielt die Stromlieferung bis über das 19. Jahrhundert hinaus und erst später überging dieselbe in anderen Besitz. Pest, Cholera und andere Seuchen. Seit Urbeginn der Menschheit traten zu verschiedenen Zeiten ansteckende Krankheiten auf, welche oft ganze Länder entvölkerten und Mensch und Tier vom Leben zum Tode beförderten. Arzte in unserem heutigen Sinne gab es in der grauen Vorzeit noch nicht und die damaligen Heilkünstler waren mit ihren Mixturen noch nicht so weit vorgeschritten, um die Seuchen wirkungsvoll bekämpfen zu können. Wunderärzte und Scharlatane zogen mit marktschreierischen Anpreisungen 111

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