Chronik der Stadt Reichenau

mehrere Wagen verteilt war, während ihr Gepäck auf einem anderen Wa¬ gen befördert wurde. In Gablonz gab es dann ein langes Suchen, ehe sich die Familienangehörigen mit ihrem Reisegepäck wieder zusammengefunden hatten Franz Pietsch stellte sein Fuhrgeschäft nach einiger Zeit wieder ein, da fast alle seine Pferde der Rotzkrankheit zum Opfer fielen. Hüttmann betrieb den Omnibusverkehr bis zur Eröffnung der Elektrischen Straßenbahn Den Bedürfnissen der fortschreitenden Zeit entsprechend wurde im Jahre 1888 vom Markte die heutige Hauptstraße bis zur Puletschneier Ortsgrenze erbaut, welche von dort durch den Puletschneier Gemeindewald nach Kukan führt und dort an die Gablonzer Bezirksstraße Anschluß fand Die Hochstraße, von dem Hause Nr. 468 über die Bauernseite zum Hause Nr. 10, wurde im Jahre 1890 auf dem alten Fahrwege erbaut. Nach Erbau¬ ung der Bahnhof= und anderer Straßen setzte in Reichenau eine rege Bau¬ tätigkeit ein Bereits aus dem Mittelalter sind uns Nachrichten über Straßen= und Wegzölle erhalten geblieben, welche die Fuhrleute an Straßenkreuzungen oder bei der Ein= oder Durchfahrt der Städte dem Zöllner zu entrichten hatten Diese Einrichtung wurde wohl zuerst in Deutschland auf den Handels¬ straßen eingeführt und fand später auch bei Errichtung der Land= und Be¬ zirksstraßen in Böhmen Eingang, wo sie unter dem Namen Weg= oder Straßenmaute eingeführt wurde. Die Mautgebühr wurde nach der Anzahl und Gattung des dem Fuhr¬ werke vorgespannten Zugviehes bemessen und hatte auch jeder Bezirk eine andere Gebühreneinhebung. Für die Fuhrleute war die Maute eine Un¬ annehmlichkeit, da sie schon nach wenigen Kilometern eine Maute zu durch¬ fahren hatten und auf weiten Fahrten öfters ihren Geldbeutel öffnen mußten. In Reichenau befand sich bis um das Jahr 1880 ebenfalls seit der Er¬ bauung der Liebenau=Gablonzer Bezirksstraße im Jahre 1858 eine solche Maute. Das Mauthäuschen stand im Eck der Pfarrwiese, der Schlagbaum ließ sich quer über die Straße herabziehen, wurde aber nur über Nacht ge¬ schlossen. Wollte ein Fuhrwerk bei Nacht durchfahren, wurde der Mautner durch Peitschenknall herbeigerufen Nachdem der Fuhrmann seine Gebühr entrichtet hatte, wurde der Schlagbaum für die Durchfahrt geöffnet. Die Mautgebühr betrug für einen Zweispänner 6 kr., Einspänner 3 kr., für Pferde und für mit Ochsen oder Kühen bespannte Wagen 4 und 2 kr. Auch ür ein Stück Vieh, welches an der Maute vorübergetrieben wurde, mußte gezahlt werden, für ein Pferd 2 kr., für ein Rind 1 kr. Als Mautner amtierte seit der Erbauung der Straße bis zur Auflassung der Maute Franz Simm, der Großvater unseres Briefträgers gleichen Namens. Die Fahr= und Fußwege waren in Reichenau bis vor Erbauung der gepflasterten Straßen in einem unbeschreiblich schlechten Zustande. Beson¬ ders bei Regenwetter und über die Schneeschmelze im Frühjahr versanken die Wagenräder bis zu den Naben und die Fußgänger bis über die Knöchel in aufgeweichtem Kote. Die Gemeinde ließ wohl zeitweise einige Fuhren sogenannte Bäuchel aus dem Steinbruche im Niederdorfe auf die Wege fah¬ ren und die Geleise damit ausfüllen. Die Steine sanken aber in dem wei¬ chen Untergrunde und der Dreck blieb bestehen Etwas Gutes hatte der fast über den ganzen Sommer anhaltende Kot auf den Wegen für Reichenau aber dennoch. Die heute nur noch in geringer Anzahl im Orte nistenden Schwalben bauten in jener Zeit hunderte Nester 107

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