Chronik der Stadt Reichenau

wurde am 6. Juli 1885 begonnen und gleichzeitig der Bau einer Zufahrts¬ traße von der Gablonz=Liebenauer Straße von der Kirche über den Markt zu dem neuen Bahnhofe in Angriff genommen. Die über den Mohelkabach ührende Eisenbrücke fiel im Verhältnisse zur Straßenbreite zu eng aus. Der Bau des Bahnhofes ging dabei rüstig vonstatten, da auf der einen Seite der Wegübersetzung genügend Material zum Ausfüllen der Seite gegen das Viadukt vorhanden war, aber die Bevölkerung war enttäuscht über das winzig kleine Stationsgebäude von nur 4 Fenster Front in der Länge und 2 Fenster Front in der Breite. Dasselbe genügte schon anfänglich nicht für den bedeutenden Personen= undFrachtenverkehr, den die Eisenbahndirektion nicht erwartet hatte, denn bereits nach kurzer Zeit war ein größerer Anbau erforderlich, der im Laufe weniger Jahre mit dem Wachstum des Verkehres noch mehrere Zubauten erforderte Am 19. Juli 1886 wurde der Bahnhof in feierlicher Weise eröffnet, die Bezirks= und Gemeindevertretung, alle Ortsvereine, der Lehrkörper mit der Schuljugend, hatten am Bahnhofe Aufstellung genommen, um den unter den Es Klängen des Kaiserliedes einfahrenden Eröffnungszug zu bejubeln. war gegen 9 Uhr vormittags, als der festlich geschmückte Zug vor dem Sta¬ tionsgebäude hielt, von einer tausendköpfigen Volksmenge mit Hochrufen begrüßt. Einige hohe Eisenbahnbeamte entstiegen dem Zuge und wurden von den Honoratioren des Bezirkes und der Gemeinde feierlich empfangen. Der Zug fuhr nach kurzem Aufenthalte weiter und noch lange hallte ihm der Volksjubel nach. Die im Jahre 1858 auf Reichenauer Grunde erbauten Wächterhäuschen erhielten die Katastral=Nr. von 371 bis 374. Das im Jahre 1886 erbaute Die Gemeinde Reichenau Stationsgebäude erhielt die Hausnummer 442. hatte also im Verlaufe von 28 Jahren einen Zuwachs von 68 Häusern zu verzeichnen. Wieviel mehr Neubauten hätte wohl Reichenau gewonnen, wenn es beim Bau der Eisenbahn gleich einen Bahnhof erhalten hätte? Anläßlich der Bahnhofs=Eröffnung veranstaltete die Gemeinde unter Teilnahme aller Ortsvereine in den Tagen vom 25. bis 27. Juli im Plane¬ walde ein großes Volksfest, dessen Reinertrag für die Regulierung des Marktes Verwendung fand. Am oberen Ende des Marktes führte nur ein schmaler steinerner Geh¬ teg über die Mohelka und das Fuhrwerk mußte durch das Wasser fahren, um von der einen auf die andere Marktseite zu gelangen. Um diesem übel¬ tande abzuhelfen, ließ die Gemeindevertretung im Jahre 1888 bei der Markt¬ und Mohelkaregulierung anstelle des Steges eine hohe und breite Stein¬ brücke über den Bach errichten Zur Personenbeförderung zwischen Gablonz und Reichenau hatte der Gablonzer Posthalter und Besitzer des Gasthofes „Zur Stadt Karlsbad“ Herr Hüttmann, bereits im Jahre 1880 einen regelmäßigen Omnibusverkehr zur alten Station eingerichtet Nach der Bahnhofseröffnung unternahm der Vorsteher und Gastwirt Franz Pietsch ein Konkurrenzunternehmen, schaffte einige Omnibusse und Kutschwagen an, sowie auch eine beträchtliche Anzahl von Pferden Bei Ankunft eines Personenzuges auf dem neuen Bahnhofe standen nun 3 bis 4 Omnibusse bereit, die Fahrgäste aufzunehmen. Die ankommen¬ den Passagiere wurden von den Kutschern förmlich mit Gewalt in die Wa¬ gen gedrängt. Franz Pietsch hatte noch zu jedem Omnibusse einen Portier angestellt, welche den Leuten das Gepäck aus der Hand rissen und in ihren Wagen verstauten, während ein Kutscher Hüttmanns den Besitzer des Ge¬ päcks in seinen Wagen zerrte. So kam es öfters vor, daß eine Familie in 106

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