Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 4, 1982

Till: (nach einer Weile zu Wolensky, der noch immer hin- und her schlenkert) Hast du was? Wolensky: (leiser polnischer Akzent) Nicht! Till: Was schlenkerst du denn so? Wolensky: (gibt keine Antwort). Till: Glaubst vielleicht, daß sie drum früher abblasen? . . .? (Setzt sich, raucht mit langen, andächtigen Zügen. Im Grabeneingang er scheinen Schickele und der Einjährig-Gefreite Köhler. Sie kommen von der Ablöse. Schickele ist dreiundzwanzig, Köhler achtzehn, ein halbes Kind. Sie legen ab, setzen sich wortlos, Schickele holt aus sei nem Tornister eine mit dünnen Kettchen verschlossene Blechdose hervor. Mit einem am Hosenriemen verborgenen Schlüssel sperrt er seinen Schatz auf, entnimmt ein großes Stück Speck. Behutsam schneidet er zwei gleichmäßige Scheiben herunter, legt sie auf altes Kommißbrot und versperrt sodann wieder seine Blechdose. Unter lautloser Stille verfolgen die anderen mit gierigen Blicken Schickeies Bewegungen.) Till: (findet das Wort) Vielleicht legst du noch einen Stacheldraht um deine Menage-Kabine? Schickele: (schweigt, ist froh, daß er sein Speckbrötchen hat). Till: (wütend, daß er keine Antwort bekommt) Oder meinst, wir brin gen deine Sardinenbüchse nicht auf, wenn wir wollen? Schickele: (schweigt und ißt). Till: (stellt sich drohend vor ihm auf) Willst uns lange Zähne machen mit deinem Sauspeck? - He? . . .? (Im Grabengang erscheint der Leutnant.) Till: (macht kehrt und setzt sich). Leutnant: (tritt ein. Alle fünf Mann springen auf, grüßen). Schickele: (hat sein Brot beiseite gelegt). Leutnant: Setzen! - (Mustert. Längerer Blick auf den Einjährigen Köh ler. Geht dann auf Holly zu, stellt sich vor ihm auf, besieht sein Ge sicht) Frisch rasiert? Holly: (springt auf) Soeben! Leutnant: Feierlicher Anlaß? Holly: Hochzeitstag! Immer so gehalten! Leutnant: Gut! Setzen! (Geht weiter, bleibt einen Augenblick vor Till stehen.) Till: (springt auf). Leutnant: Werden mich jetzt täglich rasieren - TUl! Immer am Abend! (Bück auf Köhler) Festlichkeiten im Offiziersunterstand! (Auf Köhler zu, wie zu einer Schwester) Na - wie gehts dir. Junge? Köhler: Danke - Herr Leutnant! Leutnant: Schon gewöhnt? Köhler: (fast schüchtern) Danke! Leutnant: Wie lange bis du jetzt an der Front? Köhler: Drei Tage! Leutnant: Hast noch nicht viel gesehen da heraußen? Köhler: (schweigt). Leutnant: Wirst dich schon gewöhnen! An alles gewöhnt man sich! . . . Kann auch da heraußen ganz nett sein. Geht alles, wenn man's richtig anpackt! . . . Wie alt bist du? Köhler: Achtzehn! Leutnant: Bist ein richtiger Soldat! - Freiwillig gemeldet? Köhler: Freiwillig! Leutnant: Hast auch schon als Bub immer Soldaten gespielt? He? Was? Köhler: Ja. Da war das alles aber ganz anders . . . Leutnant: Wie anders? Hast Heimweh? Köhler: (schweigt). Leutnant: Ich frage, ob du Heimweh nach Muttern hast? Köhler: (fängt zu heulen an). Leutnant: (Hand auf dessen Schultern) Na, was ist das? Junge? Ver dammt noch einmal! (Entzündet sich eine Zigarette) Kopf hoch! 84 Wenn du hier schlecht schlafen kannst, dann kannst du zu mir kom men ... Ist Platz genug! Also schön stramm! - Wiedersehen! (Ab, Soldaten springen auf, grüßen, setzen sich.) Till: (lacht nach einer Weile grell auf). Holly: (nervös) Was lachst du denn? Till: Habt ihr gehört? Schlafen kann er zu ihm gehn! - (Zu Köhler) Na, so geh doch schon! Köhler: (schweigt, drückt sich in die Ecke). Till: (zu Köhler) Warum gehst du denn nicht? . . .?? Feldpostträger: (kommt rrüt einem Paket und Post. Die fünf glotzen in Erwartung). Holly: (und) Schickele: (wie aus einem Munde) Hast? - Für mich?? - Feldpostträger: (hebt das Paket, ruft) Schickele! Schickele: (entreißt ihm hungrig das Paket) Endlich! Feldpostträger: Unterschrift! Schickele: (unterschreibt, öffnet am Boden kniend vorsichtig das Paket wie ein Heiligtum). Till: (verärgert) Wöchentlich eine halbe Sau für unsern braven Schikkele! Holly: Und ich? Köhler: (kommt näher). Wolensky: (bleibt sitzen). Till: Also mach nicht lang herum! Warten können wir nachher auch! Wer kriegt noch was? Feldpostträger: (fühlt sich wichtig, hat eine kleine Pappendeckelmappe geöffnet, ruft) Infantrist Holly! Holly: (schreit) Gib! Feldpostträger: (gibt, ruft) Einjährig-Freiwilliger Köhler! Köhler: Das bin ich! Feldpostträger: (klappt die Mappe zu) Schluß! Nächster Postabgang - heute mittag! (Rasch kehrt). Till: He! - Von mir kannst auch was rrütnehmen - aber erst nach dem Essen! Feldpostträger: (begreift spät, mißt Till verächtlich) Rasierpinsel! Till: (setzt sich, brütet vor sich hin). (Holly und Schickele haben sich an den Tisch gesetzt, lesen Briefe.) Schickele: (kramt in seiner Sendung, öffnet die Paketchen oder riecht dazu, ordnet. Liest eine Aufschrift) Zahnpulverersatz. Ist wie echt! (Reicht Wolensky das Paket). Da hast was! Wolensky: (nickt dankbar, steckt es zu sich, schlenkert weiter hin und her). Schickele: (kostet aus einer Tüte Grammeln. Tills Bück trifft ihn. Sug gestiv angezogen geht er langsam auf Till zu) Da . . . (Schüttelt Grammeln auf dessen Hand.) Till: (frißt sie gierig). Schickele: (gutes Herz hat sich geöffnet. Er bietet sogar Holly und Köh ler davon an). Holly: (nimmt, Uest aufgeregt weiter). Köhler: (kurzer Bück) Danke! (Nimmt nicht). Wolensky: (mit beiden Händen, flehend Schickele zu) Geben! Mir auch! Bitten sehr! Schickele: (gibt, bedeutungsvoll) Sind von Muttern! Wolensky: (ißt, die Augen zum Himmel) Oh! - Gut! Köhler: (hat sich Briefpapier geholt, schreibt). Holly: (plötzlich TUl zu) Es geht wieder schlechter! - Die Ernährungs verhältnisse werden von Tag zu Tag unerträglicher. Der Arzt meint, wenn nicht bald ein Wunder geschieht, wird's sehr schlimm werden! Till: Mit wem? Holly: Mit Peter! Meinem Buben! Till: Das sag ich ja immer! Daß wir aUes auslöffeln müssen! Das weiß

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