Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 4, 1982

Wer will unter die Soldaten Ein Nebeneinander in einem Vorspiel und drei Akten Paul-Zsolnay-Verlag Berlin • Wien • Leipzig Die Personen des Vorspiels Holly Till Köhler Wolensky Schickele Der Leutnant Feldpostträger Vorspiel Frontunterstand. Gepölzter Erdbau. Kleine Treppe, die in einen Schützengraben führt. Über dem Graben Sonne. Im Unterstand zwei Lager übereinander. Tisch, Stühle, Bank, Heu, Unrat. Wolensky: (klein, zäh, sitzt seitwärts auf einer Bank, bewegt sich au tomatisch vor und zurück. So wie ein Eisbär im Käfig.) Holly: (breitschultriger Mann um die vierzig, lehnt bequem im Stuhl, die Bluse halb offen.) Till: (groß, hager, schickt sich an, Holly zu rasieren.) Als ob heraußen nicht alles Wurst wär! . . . (Spuckt in die Seifenschale, seift Holly ein.) Holly: (zeigt mit den Fingern) Vier Zigaretten! Till: Sehn möcht sie sie! Holly: Nächste Fassung! Till: Bis wir die kriegen, hab ich einen Schrapnellschuß im Hintern! Holly: Zwei Stück hab ich noch! Zusatzfrei! Von zu Haus! Die rauchen wir dann! Jeder eine! . . . Du mußt nämlich wissen: Heut hab ich mei nen Hochzeitstag! Till: Was du nicht sagst! Holly: Das ist immer so eine Sqche - bei uns zu Haus! Das ist der ein zige Tag, auf den meine Frau was hält. Da muß ich mich immer schön machen. Oder besser, sie macht mich schön. Das verstehn sie ja, die Weiber! . . . (Leiser) Drum laß ich mich ja auch jetzt rasieren. Denn ich weiß, daß meine Frau heut den ganzen Tag an mich denken wird . . . Till: (lacht) Die muß ein verdammt weites Auge haben! So von zu Haus bis zu uns raus! Holly: Man hat halt an solchen Tagen so etwas ganz Eigenes in sich! Till: Wie alt ist deine Frau? Holly: Meine Therese? - Na - ich denk, achtunddreißig wird sie sein! Till: Eine Buchbinderei hast du . . . oder so was? Holly: Ja. Die führt jetzt meine Frau mit meinem Lehrjungen! Till: Kinder? Holly: (Atemzug) Ein Mädl! Die heißt Franziska! - Sie hüft auch zu Hause. Ist schon siebzehn! . . . Und dann einen Buben! Den Peter! Der ist immer ein werüg krank! Auf der Lunge, sagt der Arzt . . . Till: Das kommt vom guten Fressen, das sie da hinten kriegen . . . Holly: Kriegsrüben mit Butterersatz! . . . Till: Da soll nur einer sagen, daß das nicht den Hunger stillt! Holly: (nach einer Pause) Jetzt haben wir wenigstens seit vierzehn Ta gen Ruhe in unserm Abschnitt! Till: Wenn du lang redest, werden sie wieder anfangen! - (Weit ent fernt Donner von Geschützen.) Holly: (fährt leicht auf). Till: (lacht) Na? Was hab ich gesagt? Holly: (horcht) Nördlicher Abschnitt! Mach weiter . . . Till: Borsten hast wie eine Wildsau! . . . (Rasiert. Nach einer Weile) Jetzt soll bald meine Frau kommen! Holly: Heraus? Till: Ja. Holly: Gibt's das? Till: (Zeichen des Geldgebens) AUes geht! Holly: Freust dich? Till: Im Hinterland, da hat sie einer dick gemacht . . . Na - und da kommt sie eben, damit es so aussieht, als ob ich - (lacht). Wir haben nämlich ein Friseurgeschäft! Das führt sie jetzt! Ganz allein! - Ver stehst? Holly: (lacht) Versteh! Till: Mein Gott - was soll ich machen? . . . Sperr ich den Laden zu, verlaufen sich die Kunden - und wenn sich da so ein Weibsbild nicht ein wenig beliebt macht? — Das ist es ja. Sie rasiert eben so verdammt schlecht! Holly: (kann sich nicht fassen) Da möcht der Teufel dreinfahren - wenn meine Therese - nur weil da so ein Kerl vielleicht um ein paar Bücher mehr binden läßt ... Da soU mir nur einer kommen! Till: Fuchtl nicht herum - sonst kannst du in der friedlichsten Stellung Blut fließen sehen! Holly: Hat sie dir das alles selber geschrieben? Till: So zwischendurch! Ich habe es aber schon längst - von den an dern gewußt! ... Es soll der Sohn vom Bürgermeister sein! Holly: Wenn meine Therese - Till: Still sollst halten; - wenn eine will, dann will sie eben . . . Holly: Quatsch! Till: (verärgert) Also - dann will sie eben nicht! . . . Holly: (nach einer Weüe.) Wenn man nur wüßte, wie man von da her außen so einem Weibsbild Freude machen könnt . . . Till: Was für Freude? Holly: Ich mein halt so - daß sie an einen denkt . . . Till: Denken wird sie schon -, aber essen muß sie auch! Holly: Willst du sagen, daß sie einen Mann haben muß? Till: WeU sie immer an dich denkt! . . . Wenn sie weniger an dich denken möcht, käm sie auf keinen anderen . . . Holly: Das versteh ich nicht! Till: Sie muß ihre Sehnsucht nach dir wo ablagern - verstehst jetzt? Schafskopf! Holly: (plötzlich voll Angst) Ich muß ihr öfter schreiben . . . Ich muß ihr viel Nettes sagen - ihr wirklich eine Freude machen ... Till: Liegt viel herum, was man schicken kann: Ein paar blecherne Konservenbüchsen! Ein paar kupferne Führungsringe von den Gra naten als Amulett! Hineingraviert: ,,Denk an mich!" oder,,Glücklich überstanden!" Holly: (strahlt) Ich hab schon was! . . . Heut früh am Posten! Da hab ich das Ding gesehen! - Vielleicht so dreizehn -- vierzehn Meter vor unserem Graben: Mitten unter dem Dreck und Schutt - eine Blume! Eine richtige Himmelschlüsselblume! . . . Neben so einem Stachel drahtpfosten am Gelände steht sie! . . . EigentUch ganz komisch! Till: (ist mit dem Rasieren fertig, nimmt einen Wasserkübel und wäscht mit einem schmutzigen Lappen Hollys Gesicht.) Und da willst du dir das Zeug für deine Therese holen? Holly: Natürlich werd ich mir die Himmelschlüssel holen! Till: Und wenn sie dir von drüben ein paar hinaufbrermen, dann schickst du deiner Therese die Bleikügelchen als Halsamulette mit den denkwürdigen Worten: ,,Für dich, mein Schatz, im Heldenfeuer gefaßt"? Holly: Wenn man ganz langsam heranschleicht, sehen die drüben ei nen gar nicht! Till: Dann mach, was du willst! Erlaube mir aber, daß ich vorher mein Rasierhonorar kassiere . . . (Ist fertig, wäscht sich die Hände.) Holly: (besieht sich in einem kleinen Spiegel) Schön hast du das ge macht, Till! (Gibt ihm eine Zigarette) Uberschuß! . . . (Steckt sich sel ber eine an, steht angelehnt vor dem Ausgang zum Schützengraben. -So vor sich.) Natürlich wird sie sich freuen . . . Wie man den ganzen FrühÜng schon da herein riecht! (Holt tief Atem) Ah . . . wenn man nur schon zu Hause wär - (Zieht langsam an der Zigarette). 83

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