Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 4, 1982

doch heute ein jeder, wenn ihm nicht gerade ein Vogel ins Hirn ge macht hat. Holly: Was hüfts! - Wir schießen ja doch weiter und die da drüben auch! Köhler: (zuckt auf, leise) Für was, für wen? (Schreibt weiter.) Holly: Was soll da noch unsereiner fragen? (Liest weiter.) „Wenn die ser Krieg noch lange dauert, dann weiß ich nicht, was mit mir ge schieht . . ." (Schreit verzweifelt auf.) Ich kann doch nicht alles weg schmeißen! Ich kann doch jetzt nicht nach Hause rennen! (Auf und ab.) Schickele: (hat sich zum Tisch gesetzt, liest aus einem Brief, der dem Pakete beilag.) Da schreibt mein Vater! (Schwer und stumpfsinnig.) ,,Uns geht es aUen gottlob gut! Gestern haben wir wieder eine Sau gestochen und da beeilen wir uns, an Dich etwas zu schicken . . . Wenn Du aber noch Schweinsgrammeln ..." Till: (wütend) Halts Maul! Schickele: Bis du wieder was willst - von mir! Till: Einen Dreck brauch ich von dir! Das Maul sollst halten! Schickele: (schrumpft zusammen, beginnt auf einer Karte langsam zu schreiben). Holly: (mit sich beschäftigt) Da muß ich doch gleich ... Da muß ich doch - (Holt Briefpapier, setzt sich zum Tisch. Schreibt hastig.) Schickele: (während des Schreibens, nachdenklich) Wie schreibt man denn das - Schrapnell? Till: Für einen Landwirtschaftsbesitzer ist das Wurst. Der weiß so und so nicht, was das ist . . . mußt nur schreiben, daß das so große Vögel sind - in der Luft - die manchmal was fallen lassen! Holly: Was meinst du, Till? Werden wir noch vor der nächsten Offen sive auf Urlaub gehen? Anspruch hätten wir doch! Till: Anspruch haben wir nur auf Frontdienst! Alles andere hängt vom Wetter ab! Oder vom Magen des Kommandanten! Wenn der tags zu vor schlechtes Schöpsenfleisch mit Linsensalat bekommen hat, dann hats für uns Zeit! Holly: (schreibt die Adresse, spricht sie mit) An Frau Therese Holly, München, Barbarastraße 47. So . . . (Schiebt den Brief in das Kuvert, überlegt, nimmt den Brief wieder aus dem Kuvert, schreibt dazu und spricht vor.) „Wir haben sonst verdammt viel Zeit da heraußen. Die Weihnachten, scheint es, bringen keinen Schnee. Es ist bei uns wie im Frühling. Sogar eine Himmelschlüssel habe ich heute entdeckt! - Und wenn ich das Ding für Dich und Peter beilege, so möchte ich, daß Ihr Freude daran habt! . . . Sonst kann ich Euch diesmal zu Christkind nicht viel schicken . . . Und da will ich auch gleich einmal sehen, ob ich die Himmelschlüssel auch richtig bekomme . . . (Schiebt den Brief in das Kuvert. Sein Gesicht strahlt.) Ja! . . . Das wül ich jetzt tun! (Setzt rasch seinen Helm auf, legt alles Unnötige beiseite.) Till: Laß doch dieses blödsinnige Zeug! Ist doch Quatsch - jetzt beim hellen Tag! Holly: (lacht) Na - ich werd das schon hübsch langsam machen. Wenn man so ganz an der Erde liegt - ganz flach - . . . Und dann ist es schon wegen der Therese! So eine Frau weiß das immer zu schät zen . . . Wiedersehen - Till (Rasch ab.) Till: Verrücktes Huhn! Verriicktes! - (Entdeckt auf dem Boden den Zi garettenstummel, den Holly verschwenderisch bei Ankunft des Brie fes weggeworfen hat, setzt sich damit zu Wolensky, raucht ihn lang sam zu Ende.) Wolensky: (schaut Till bittend an, nach einer Weüe) Einen Zug! Bitte schön! Till: (gibt ihm) Einen! Wolensky: (zieht lange, wieder Augen zum Himmel). Till: Genug! Wolensky: (gibt zurück) Danke! - Danke schön! (Schlenkert wieder weiter.) Till: (nach einer Pause) Von wo kommst du? Wolensky: Polnisch Zichowitz! Till: Bist Bauer? Wolensky: (nickt) Bauer! Till: Frau? Wolensky: (nickt) Betet für mich! Jede Tag! Till: Lange schon nicht gesehn? Wolensky: Drei lata - (Sucht) - Jahre . . . (Plötzlich ganz nahe Schüs se.) Schickele und Köhler: (schrecken auf). Till: (ist aufgesprungen. Kurz darauf Maschinengewehrfeuer. Drau ßen Stimmen). Till: (greift nach seinem Gewehr) Na - was hab ich gesagt? - Dieser Idiot! . . . (Entfernt Stimme des Leutnants: ,,Verdammt blödsinnig das!") Holly: (wankt herein. In der Hand krampft er eine Schlüsselblume zu sammen. Er erreicht gerade noch die Bank, stirbt ohne einen Laut.) Leutnant: (rumpelt herein, pfaucht) Verdammter Kerl! - Bist wohl blödsinnig! He! - (Kommandiert) Stillgestanden! (Sieht, daß er tot ist, erblickt die Blume.) Was ist das? (Schüttelt den Kopf.) Wohl ganz ver blödet? (Wirft die Blume zu Boden, Kommandiert.) Alle Mann raus! Handgranaten gesichert! (Alle ab, winden sich den Graben entlang.) Till: (als letzter, hebt rasch die Schlüsselblume vom Boden, steckt sie in das Kuvert, schließt es, geht rasch zu HoUy, rütteltihn.)Holly-Du! - Kamerad!? Holly: (lehnt steif und starr in der Ecke). Till: (eUt den andern nach). Vorhang. 85

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