Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 4, 1982

wird Ortner 1920 die Direktion anvertraut. Weitere Pläne scheitern an der Inflationszeit. Nach neuerlicher Erkrankung, von der er in Bad Ischl Erholung findet, übersiedelt er schließlich 1921 nach Wien. In Wien besucht Hermann Heinz Ortner kunsthistorische und ger manistische Vorlesungen als außerordentlicher Hörer der Universi tät. An der Akademie für Musik und darstellende Kunst erwirbt er das Reifezeugnis für darstellende Kunst, als Regisseur bUdet er sich am Reinhardt-Seminar aus; viel später, im Kriegsjahr 1943, da er sich bereits dem Filmschaffen zugewandt hatte, besucht Ortner einen Lehrgang der UFA für Filmregisseure. Während der ersten schwierigen Jahre in Wien dient eine Anstellung bei der Phönix-Versicherung dem Broterwerb. Ortners erste Ehe mit einer älteren Partnerin hat nicht langen Bestand. Auch der Versuch, sich als Geschäftsmann in der Antiquitäten- und kunstgewerblichen Branche unabhängig zu machen, muß scheitern, da Hermann Heinz Ortners kaufmännische Talente dazu nicht ausreichen. Begabung und Interesse gelten eben dem Theater, das auch seinem BUdungsstreben die entscheidenden Impulse gibt. So wird Hermann Heinz Ortner nach einigen Aufführungen seiner frühen dramatischen Werke 1926 als Chefdramaturg und Direktor-Stellvertreter an die Neue Wiener Bühne verpflichtet. Nach 1928 widmet er sich aus schließlich dem freien Schaffen als Dramatiker, wenn man davon ab sieht, daß er bei einigen Aufführungen seiner Bühnenstücke selbst Regie führte. Daß ihm die 1930 eingegangene zweite Ehe mit der Burgschauspielerin Elisabeth Kalüna in jeder Hinsicht förderlich war, kann kaum bezweifelt werden, wenngleich er bereits 1928 unter Bür germeister Seitz mit dem Preis der Stadt Wien für ,,hervorragende Werke der Dichtkunst" ausgezeichnet worden war, wofür nicht zu letzt seine im gleichen Jahr vollendete dramatische Legende ,,Tobias Wunderlich" den entscheidenden Ausschlag gegeben hat. Hermann Heinz Ortner hatte sich bereits in gut einem Dezennium zielstrebigen Schaffens mit seinen frühen Werken als erfolgversprechender Büh nenautor erwiesen. Einen ersten Versuch als Theaterschriftsteller unternimmt Ortner be reits als Soldat im FrühUng 1916 während seines Aufenthaltes in ei nem MiUtärlazarett. ,,Das Vaterhaus", sein Erstling, ein Drama in drei Akten, wird am Deutschen Theater in Pilsen erstmals aufgeführt. Was der Verfasser als enfant terrible seinen Eltern und sich selbst an Schwierigkeiten bereitet hatte, schrieb er sich damit wohl von der Seele. Strindberg, der im unteren Mühlviertel eine Zeit gelebt hatte, dürfte auf Ortners frühen dramatischen Versuch nicht ohne Einfluß gewesen sein. Mit ,,Mflter Dolorosa", der Tragödie einer Witwe, die mit ihrem jüng sten Kind den Tod sucht, da dessen beide Geschwister auf Abwege geraten sind, gelingt Ortner bereits ein erster nachhaltender Erfolg. Der Uraufführung in Reichenberg folgen am 21. Jänner 1921 die Lin zer- und am 7. Mai 1923 die Wiener Erstaufführung. Im zweiten Teil seiner ,,Mütter-Trilogie" treibt eine lasterhafte Mutter ihre Kinder um Geldes willen ins Verderben.,,Sumpf" ist der bezeichnende Titel die ses naturalistischen Volksstückes aus dem Großstadtmüieu, dessen Uraufführung schon am 3. Juni 1923 in Wien über die Bretter ging und bei Presse und Publikum auf freundliches Interesse stieß. Am 22. März 1923 hatte das Linzer Landestheater unter Paul Wredes Direk tion bereits den dritten Teil der ,,Mütter-Trilogie", die Tragödie ,,Ende" zur Uraufführung gebracht. In einer Umarbeitung geht das Drama in vier Akten unter dem Titel,,Steile Berge" dann in Wien bei Direktor Exl in Szene. Aus irregeleiteter Liebe stiftet eine skrupellose Mutter ihren Sohn zum Mord am Stiefvater an. Mutter und Sohn überleben aber selbst die Untat nicht. In der Wahl und Behandlung seiner Sujets beweist Ortner Spürsinn für Bühneneffekte. Schon zur ,,Mater Dolorosa" schrieb die Wiener Reichspost: ,,Die Eiguren sind echt gesehen, sie haben Blut und Wärme. In der Sprache verrät diese 78 Dichtung genaue Kenntnis unseres Volkstums und überrascht durch knappe, auf die stärkste dramatische Formel gebrachte Wendungen." Die Neue Freie Presse anerkennt die technischen Vorzüge, den knap pen Dialog und die wirksamen Aktschlüsse in ihrer Kritik der Auffüh rung von „Sumpf", die Arbeiter-Zeitung findet Ortners Dialog ,,wirklich dramatisch" und berichtet von einer sehr freundlichen Aufnahme des Werkes. In seiner Trilogie trifft Ortner die Tonart von Anzengrubers ,, Viertem Gebot". Schon jetzt gilt er bei der Kritik als ,,berufener Bühnenmann". Mit,,Christus Heimdal", als erstem Teil einer ,,Zeit-Trilogie: Die Tragödie der Menschheit", hatte das Linzer Landestheater schon am 9. 3.1921 ein weiteres Bühnenwerk Ortners aufgeführt. Auch hier sind es die Mütter, welche das Denken des Dichters beschäftigen: Werttümer birgt Euer Schoß, Werte, kostbarsten Gutes! Oh, welch ein Schatz! Tausend Zeiten leben in Eurem Körper, Tausendmal Gutes, tausendmal Böses! Und alles gegeben in Eure Hand! . . . ,,Kohle" und ,,Menschen" bilden den zweiten und dritten Teil der ,,Zeit-Trilogie", die zwar, ebenso wie alle vorangegangenen Dramen, bei Max Pfeffer, Leipzig und Wien, schon 1923 im Verlagsangebot ge führt werden, doch - so weit bekannt - rdcht auf die Bühne kommen. Das Sprechstückrepertoire des Linzer Landestheaters lag in der Spielzeit 1920/21 unter Paul Wrede bei dem Dramaturgen Dr. Seidl und dem Spielleiter Parkas in guten Händen. Man war sichtlich be müht, heimische Autoren auf die Bühne zu bringen, wie aus Heinrich Wimmers Buch ,,Das Linzer Landestheater 1803 bis 1958" hervor geht. So gelangte auch,,Auferstehung", das Drama von der Befreiung eines Volkes, schon am 29. Mai 1921 zur Aufführung. Hermann Heinz Ortner hatte die Kärntner Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920 als Stoff für seine dramatische Dichtung gewählt. Siebzehn Jahre danach erfährt das Stück unter geänderten politischen Vorzeichen mit dem doppelsinnigen Titel,,Ein Volk steht auf" in Neubearbeitung seine festliche Reprise. Von den frühen Werken Ortners hatte der Max Pfeffer-Verlag noch einige weitere Titel in seinem Angebot, die aber kein bemerkenswertes Echo gefunden haben dürften, so etwa: ,, Träumereien des Andre Chenier" (bekannt ist das Sujet durch Umberto Giordanos Oper ,,Andre Chenier"), ,,Die Peitsche", vom Verlag als ,,erotisches Stück" angekündigt, und die Sittentragödie ,,Nacht". Eine Ausnahme bildet,,Dhs Märchen", ein romantisches Traumspiel in fünf Akten, das Ortner 1918 im Riesengebirge geschrieben haben soll. Die Volksoper brachte es 1925 auf die Bühne. Franz Moser hatte dazu die Melodram- und Ballettmusik komponiert. Einen jungen Poeten überredet sein Verleger, der sich dann in der Traumhandlung als Mammon entpuppt, ihm kurzfristig einen Revuetext zu Hefem. Im Traum ins Märcheriland versetzt, findet der Poet das ,,blonde Mär chen" in Mammons Gewalt, befreit es jedoch, indem er sich selbst vom Mammon lossagt. Das Märchen wird des Poeten Braut, beider Kind tragen sie später in die Welt, um die Menschen von der Gier nach dem Gelde zu befreien. Aus seinem Traum erwacht, schreibt der Poet dann statt der bestellten Revue das eben geträumte Märchen. Der Operettentext zu,,Musik im Mai", nach einer Novelle von Rudolf Hans Bartsch, brachte am Wiener Raimund-Theater 1927 Erfolg und materiellen Gewinn. Auch mit zwei Singspielen und dem heiteren Einakter mit Musik,,Die Brautwahl" bewies Ortner eine Ader für die leichte Muse. Kann auch manches, was Hermann Heinz Ortner - wohl der Not ge horchend - im ersten Dezennium seines Schaffens für das Theater ge schrieben hat, heute nicht mehr ansprechen, man wird dennoch die Stimmen der zeitgenössischen Kritik nicht ignorieren können. Was

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