Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 4, 1982

Schule ist eine Arbeitsschule und keine Dis kussionsstunde. ich wiederhole . . daß ich jedem Schüler, der sich meiner Führung an vertraute, versprach, mit seinen Augen sehen zu lernen, ich garantiere damit nicht, ihn auch schon zum bildenden Künstler auszubilden. Wie viele echte Künstler gibt es doch in einer Generation?"^ Aus allen Äußerungen Kokoschkas, die auf seine Saizburger Akademiejahre Bezug neh men, ist zu entnehmen, daß er seine Aufgabe primär als Erziehungstätigkeit begriff, die in alle Lebensbereiche seiner Schüler eingriff; er wollte ihnen, wie ein gestrenger Vater, Leitli nien auf den Lebensweg mitgeben, die sie zum besseren Sehen, Erkennen und Bewälti gen der immer schwieriger sich gestaltenden Lebensumstände befähigten. In den elf Jahren seiner Saizburger Lehrtätig keit wuchs die Sommerakademie in vieler Hin sicht: Das Lehrprogramm und damit die Kiassenzahi wurde erweitert. Neben der Bildhaue rei, die von Giacomo Manzü (1954-56, 1958-60) dominiert war, gab es alljährlich Klassen für Architekten mit so prominenten Lehrern wie Hans Hofmann, Clemens Hoizmeister, Konrad Wachsmann und Roland Rainer. Dazu kam ab 1957 die Klasse für Li thographie, die von Siavi Soucek in der von ihm gegründeten ,,Graphischen Versuchs werkstätte" geleitet wurde. Zeitweise gab es auch Klassen für Maitechnik. Parallel zur Er weiterung des Lehrprogramms stieg die Studentenzahi von 44 im Gründungjahr bis zu 320 (davon 260 in der Maikiasse Kokoschkas) im Jahre 1962. Nach dem Sommer 1963, als eine Ausweitung und Umstrukturierung der Sommerakademie in eine ganzjährige Akademie unter dem Na men ,,Kokoschka-Institut" in greifbare Nähe gerückt war (entsprechende Vorankündigun gen waren schon gedruckt), legte Kokoschka in einem endgültigen und für alle Beteiligten überraschenden Entschluß die künstlerische Leitung der Akademie nieder, im Frühjahr 1964 trennte sich auch Friedrich Welz von der von ihm ins Leben gerufenen In stitution und damit schien mit dem Ende der Ära Kokoschka auch das Ende der Sommer akademie gekommen zu sein, in einer entschlossenen Rettungsaktion be stellte das Land Salzburg den damaligen Prä sidenten des Saizburger Kunstvereins, Pro fessor Hermann Stuppäck, zum neuen Direk tor der Sommerakademie. Diesem oblag die Äufgabe, innerhalb weniger Monate ein neues Konzept und ein Lehrprogramm zu ersteilen, um den Fortbestand der damals schon sehr renommierten Institution zu sichern. Die größte Schwierigkeit bestand darin, die ganz auf die Persönlichkeit Kokoschkas zuge schnittene Äkademie nach dessen Äusscheiden sinnvoll weiterzuführen. Stuppäck er kannte sofort, daß die Lücke, die Kokoschka hinteriieß, nicht zu füllen war, daß es keinen ,,Ersatzmann" für dessen Charisma und Fas zination geben konnte. Statt auf eine Künstierpersöniichkeit setzte er daher auf ein Kon zept, das sich im Lehrprogramm niederschla gen sollte. Mit dem Schlagwort und Leitmotiv der ,,Gieichberechtigung des Ungleicharti gen" hielt der Pluralismus der Stile und der Äuffassungen, der Lehrmethoden und der Techniken, Einzug auf der Festung Hohensaizburg. Hermann Stuppäck gelang es mit diesem Konzept, eine neue Sinngebung für die Sommerakademie zu finden, die der all gemeinen Demokratisierung und der Viel schichtigkeit der Kunstszene dieser Epoche voll entsprach. 1965, im zweiten Jahre seiner Tätigkeit, verteidigte er sein Lehrprogramm, das nun auch die von Kokoschka so sehr ver dammten Äbstrakten umfaßte, in einer Rund funkrede: ,,Man wird einwenden, die Linie der Sommer akademie, wie sie Oskar Kokoschka festge legt hat, werde damit verlassen. Die Schule des Sehens sei ja ausschließlich am Gegen stand orientiert gewesen. - Diesem Einwand möchte ich zunächst einmal entgegenhalten, daß Kokoschkas Schuigedanke, vor allem aber die lebendige Gestalt seiner Idee auf das engste mit der Person des Meisters und ihrer geradezu magischen Äusstrahlung verknüpft waren. Eine Weiterführung dieses so individu ell angelegten Weges zu künstlerischem Se hen als Teil eines humanen Bildungsprogrammes wäre ohne Kokoschka ein fragwür diges Unternehmen; sein Verlauf und Äusgang könnte im Vergleich mit dem Urbild nicht anders als unbefriedigend sein. Zum andern hatte die gegenstandslose Kunstwelse in der Sommerakademie, wenn auch nicht gerade in der Malklasse, schon immer ihren Platz. In der lithographischen Werkstatt des Seminars von Professor Slavi Soucek wurden seit je beide Richtungen gleichzeitig gelehrt und geübt, und das Ergebnis, wie es in den Äusstellungen am Ende der Kurse seinen Äusdruck fand, be wies, daß beides nebeneinander bestehen und gedeihen kann. Es lag also nahe, bei einer Neuordnung des Malunterrichts auch die so genannte ,abstrakte' Malerei zu berücksichti gen. Eine internationale Pflegestätte der Kunst von heute hat dem jungen Künstler un serer Zeit zu dienen; sie muß ihn mit den gei stigen Strömungen und der Dynamik des Jahrhunderts vertraut machen und ihm die Mögiichkeit geben, sich damit auseinanderzu setzen. Niemand kann sich von seiner Zeit emanzipieren oder sich in objektivem Äbstand halten. Es wäre absurd, ein die Kunst der Ge genwart so weitgehend beherrschendes Phä nomen einfach zu ignorieren und den Kopf in den Sand zu stecken. Zu den attraktivsten Vertretern der Ävantgarde gehört der Vene zianer Emilie Vedova."® In den Folgejahren bis 1969 war es dann auch Emilie Vedova, der Oskar Kokoschka als zen trale und dominierende Figur der Äkademieszene abzulösen versuchte. Sein damals pro vokatorischer Umgang mit Pinsel und Farbe, der von ihm propagierte kraftvoll-spontane Malvorgang lösten bei seinen Schülern und beim Salzburger Publikum heftige Reaktionen in verschiedene Richtungen aus. Äls Vedova die Äkademie zusehends zu beherrschen be gann, entschloß sich Hermann Stuppäck im Jahre 1970, ganz im Sinne seines pluralistischen Konzepts, Vedovas Vertrag nicht mehr zu verlängern. Ein Verdienst Hermann Stuppäcks war es auch, die Klasse für Ärchitektur aufzuwerten und ihr einen besonderen Rang innerhalb des Sommerakademieprogramms einzuräumen. Dies gelang ihm einerseits durch die Berufung hervorragender Lehrer, wie Vladimir Turina, J. B. Bakema (1965-69, 1973-75), Georges Gandilis, Otto Frei, Pierre Vago (1972, 1976-78, 1980) und Hans Hollein, anderer seits durch die Miteinbeziehung historischer und aktueller Probleme der Salzburger Stadt architektur in die Themenstellung der Ärchltekturklassen. Zahlreiche Publikationen von Ergebnissen der Ärchitekturklassen zeugen von fruchtbaren Äuseinandersetzungen der Ärchitekturstudenten mit dem Erscheinungs bild der Stadt Salzburg. In den Klassen für Bildhauerei lehrten im Laufe der Jahre loannis Ävramidis, Luciano Minguzzi, Heinrich Kirchner, Marcello Mascherini, Ralph Brown, Wander Bertoni, Francesco Somaini, Oreste Dequel und Gernot Rumpf. Die Klasse für Bronzeguß wird seit der Grün dung im Jahre 1978 von Josef Zenzmaier ge leitet. In der Lithographie löste Werner Otte seinen Vorgänger und Lehrer Slavi Soucek im Jahre 1974 ab. Zu den von Kokoschka eingerichten Disziplinen kamen im Laufe der Jahre zahlrei che weitere Sparten hinzu: die Radierung (mit so renommierten Klassenleitern wie Moldovan, Friedlaender, Lehmden, Eglau und Meckseper), die Goldschmiede (Sepp Schmölzer, Josef Symon, Helge Larsen), eine Klasse für Bühnenbild (Günther Schnelder-Siemssen) und die Dramatische Werkstatt (Karl-Maria Grimme, Wolfgang Glück, Oskar Fritz Schuh). In Zusammenarbeit mit dem Salzburg College wurde 1976 eine Klasse für Fotografie einge richtet. Es lehrten hier J. D. Stewart, Rolf Kop pel, Elkoh Hosoe, Flohs M. Neusüss und Wil helm Schürmann. 1966/77 lehrte Herbert Post Schriftkunst, im Jahre 1979 gab es ein Semi nar ,,Kunst im Urbanen Raum", geleitet von Otto Hajek, 1980 schließlich eine Klasse ,,De46

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