Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 2, 1979

Die Predigt „Erlaubet, daß ich einige Worte spreche, Ihr Herren", begann nun der Pfarrer. Seine Stimme bewirkte, daß der anschwellende Lärm wieder abbrach und die meisten sich lauschend herüberwandten. So sprach er lauter fort; ,,Hört mich an, Ihr guten Leute, Ihr tapferen Krieger. Wie Ihr schon von euren Kameraden vernommen, Ist an mir wahrlich kein fetter Fang gemacht. Euer Vorposten dort am Wald rand dachte, zumindest eine Taube zu bedeuten, aber, oweh! Ertat einen Mißgriff, und was Ihr hier seht, Ist ein ganz schäbiger Rab.'. Ich kann euch versichern, auch meine Gemeinde wird schwerlich ein Lösegeld für mich zahlen, so Ihr ein solches von Ihr fordern wolltet. Die Bauern zu Waldaschach sind vom Krieg derart abgebrüht, daß sie, wenn sie schon etliche Batzen wieder zusammengescharrt hät ten, diese weitaus lieber In der schlechtesten Kuh als Im besten Pfarrer anlegen möchten, denn, wie Ihr selbst wisset, ohne Predigt und Messe kann der Leib leben, ohne Brot, Milch und anderen Zehrmitteln aber nicht, und die Seele muß das Maul halten, solang' den Leib hungert. Auch dem Amtmann würde mehr leid sein um den guten Gaul, den er mir geliehen, als um den Pfarrer, denn Pferde sind heutzutag' sehr teuer, Kandidaten aber, die um einen Posten petitionleren, gibt's genug. So denkt vermutlich auch unser Hoch würdigster Herr und Fürst zu Würzburg; doch well wir gerade von diesem Herrn reden, der auch ein Krieger und Christ der Kürassiere gewesen, eh' man Ihn zum Bischof wählte; Ihr habt vielleicht schon vernommen, daß dieser Fürst ein guter Herr Ist, der es wohl meint mit den Soldaten, mit den abgedankten und schlecht abgelöhnten zu vor. Wahrlich, Ihr krieglosen Krieger seid ja die ärmsten Leute der Welt. Man hat euch das Handwerk genommen, das Ihr erlernt und das euch redlich nährte. Was würden die Schmiede anfangen, so man Ihnen das Elsen, was die Schreiner, so man Ihnen das Holz nähme, was die Schuster ohne Leder? Zwar habt Ihr noch Waffen, aber Ihr dürft sie nicht mehr gebrauchen. Es Ist kein Feind mehr da. So betrachtet Ihr mit einem gewissen Recht, das muß jeder einsich tige Mann anerkennen, den Frieden als euren Feind und alle Leute, die sich seiner erfreuen, als euch feindlich gesinnt. Ihr habt einen Krieg wider den Frieden begonnen, den Ihr mühselig genug In Wäl dern und an den Straßen führt und der leider, das will Ich nicht ver hehlen, wenig Aussicht auf ein gutes Ende hat, denn schließlich werden die Fürsten und Herren, die die Macht haben, doch gegen euch mit richtigen Kriegern und Söldnern zu Felde ziehen, und da sie Geld haben, Ihr aber nicht, werdet Ihr den Feldzug verlleren nach der vornehmsten Regel des Krieges, daß der den kürzeren zieht, dem die Mittel ausgehen. Besagter Fürst und Bischof aber hat an euch gedacht und darum erlassen und männigllch kundgetan, daß sich binnen achtzehn Wochen jeder Besitzer eines öd' liegenden Landes bei den Amtleuten zu melden und sein Eigentum zu erweisen habe, wIdrIgens der Bischof solches Land und Feld und Gut braven, abge dankten Soldaten verleihen werde. Seht nun, wie viele tausend Tagwerk Land In ganz Franken wüst Hegen, wie viele Hofstätten und Dörfer verbrannt und ganz und gar vom Erdboden verschwunden sind, und wird sich um so manches Grundstück der Eigentümer oder Inhaber nicht mehr melden können, well er stumm Im Grabe Hegt oder nicht einmal Im Grabe, sondern well sein Gebein auf den Schlachtfeldern bleichet und etwa von Raben und Wölfen sogar ver streut modert, daß die Engel beim letzten Gericht Ihre Hebe Not ha ben werden, es wieder zusammenzusuchen. Seht also, wie gut der kluge und fromme Bischof und Herzog In Franken für euch gesorgt hat, daß ein jeder von euch, der mag, das Schwert mit einer Pflug schar vertauschen und ein braver Bauer werden kann, was, wenn auch viel Mühsal dabei, doch besser als ein kriegloser Soldat und Feld- und Waldstrelfer, den alle Leut' fürchten und fliehen und den doch endlich die Häscher fangen und auf Rad und Galgen bringen. Was werden gar erst eure Kinder sagen, wenn sie einmal hören, der Vater hätt' Ihnen Haus und Hof und Acker lassen können, wenn er nur genommen hätt', was Ihm der Bischof ganz umsonst, nur für der Hände Arbelt angetragen, er hätt' aber nicht mögen und wär' Heber am Galgen wie der böse Schächer verstorben und hätt' sich von den Raben fressen lassen. Solchen Vater hat aber keiner gern." Der Pfarrer hatte sich wacker In Elfer geredet und sprach mit erho bener Stimme In mild werbendem Bekehrerton, als stünd' er Sonn tags vor seiner Gemeinde. Während der letzten Sätze aber wuchs vom Ende des Tisches ein widersprechendes Gemurmel, und bei den Worten vom Galgen, vom Schächer und von den Raben schlug stlchgrell eine Weiberstimme auf; ,,Was krächzt der Kanzelrab? - Stopf Ihm einer die Faust Ins Maul!" ,,Daß Ihm das höllische Feuer In den Hals fahre!" schrie ein anderer. Zugleich drängten mehrere, Männer und Weiber, bedrohlich herzu. ,,Stillaho!" gebot, die Arme vor die Gesichter hinstreckend, der Battrawitz. Es wurde Ihm nicht schwer, den Tumult zu beschwichtigen, denn einige der älteren Männer, die den Worten des Pfarrers aufmerksam gefolgt waren, stießen die Frauenzimmer beiseite und schoben sich an PIstorlus und Battrawitz heran. Es waren Leute, die der Krieg von Pflug, von Haus und Hof gerissen hatte und die. Im Grund der Unordnung schon lange überdrüssig, bei des Pfarrers Worten mit Helmweh Ih res alten, geruhsamen Lebens gedachten. Denen mußte nun PIsto rlus die bischöfliche Friedensbotschaft, die Brot und Helmstatt ver hieß, wiederholen, bekräftigen und ausführlich erklären, und damit veränderte sich die Lage sehr zu seinen Gunsten. Zwischen den Romanen ,,Ritter, Tod und Teufel", der Titel an Dü rers berühmten Kupferstich erinnernd, ,,Mangold von Eberstein", ,,Wald" (1. Fassung) und dem Roman ,,Dle finnischen Reiter" steht die Versdichtung „D/e Asen", 1928 erschienen. In dem Jahr, da Hans von Hammerstein und seine Frau das Gütchen Pernlehen am Thurnhamberg In Micheldorf erwarben. Pernlehen Ist schließlich In einem ganz anderen Sinne als geplant zum Ruhesitz und Sterbeort des Dichters geworden. ,,Dle Asen" hat man In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg belächelt, man hat diese hohe Dichtung unverständllcherwelse mit nationalsozialistischem Gedankengut gleichgesetzt, well sie, wie die Edda, die nordische Mythologie zum Inhalt hat. Mittlerwelle belächelt man wieder solche Trugschlüsse und Unwissenheit und nimmt auch ,,Dle Asen" Hammersteins von neuem ernst. Carl Anton Reichel, der zum Kirchdorfer Kreis des Dichters gehörte (man kann mit gleichem Recht sagen, Hammer stein gehörte zum Kreis Reichels), von Ernst Fuchs als der Vorläufer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus angesehen, hat ,,Dle Asen" als das bedeutendste Werk unseres Dichters bezeich net. Er wußte viel über Religionen und Mythen, er war nicht nur ein großer bildender Künstler, sondern auch ein Polyhistor. Jedenfalls reiht diese Dichtung an vorderster Stelle Im Oeuvre Hammersteins. Ihn hatten die Götter, die Asen, gerufen. Das sagt er so; ,,lhr seid In mir. In meines Blutes Stamme, den urfern zwelgendes Geäder nährt, zuckt verlöschend mit Eurer Schöpferflamme der alte Fluch, der Euch Im Schicksal schwärt, der Euch und Euer Werk endlich zersetzte. Mein lastend Erbe heischt Verkündigung. So Eueres Geschlechts vielleicht der Letzte entlad Ich Adel und Erinnerung." Und so Ist der ,,Urabend" der Welt In diesen ,,Asen"; ,,Goldne Zelt. Vom Golde weiß die Norne nur. Friede ruht, Friede über MItgards Flur.

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