Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 4, 1978

dem, bei dem das Tier liebevolle Aufnahme und einen guten Platz findet. In den nächsten Tagen zögerten sie weiter. Es ka men Besucher und Briete, es kamen auch Vorwürfe und Anpöbelungen, besonders als das karge Inter view im Fernsehen gelauten war. Die Zeitungen berichteten unterschiedlich, von der Schlagzeile ,,Glashütte-Entlassung erzeugt religiösen Wahn" bis zu „Jenseits-Nachfrage stimuliert Geldmarkt". Und während sie zögerten, geschah, womit sie nicht gerechnet hatten. In den Anzeigenteilen der Zeitungen erschienen vereinzelt, in Kolonnen und zum Wochenende schon über ganze Seiten Ver kaufsangebote von Leuten, die ebenfalls ihr ewiges Leben auf den Markt warten. Die Reaktionen waren schnell. Makler schalteten sich ein, Büros spezialisierten sich. Aber die Preise fielen. Es war zu spät, als sich Raimund Kühler entschloß, ein ihm sympathisch erscheinendes und noch eini germaßen lukratives Kaufangebot anzunehmen. Der Interessent antwortete nicht mehr. In einem unerhörten Boom wollten die Menschen jetzt ihr ewiges Leben loswerden. Und dieselben In teressenten, die sich zuerst für dieses eine ewige Leben von ihren Villen, Autos und Aktien getrennt hätten, die mit Juristen und Sekretären, mit Frauen und Freundinnen vorführen, dachten nicht mehr daran, teuer einzukaufen, was ihnen an jeder Ecke nachgeworfen wurde. Das Geschäft mit dem ewigen Leben, welches die Makler machen wollten, witterten jetzt die Demo skopen, die Soziologen und Theologen. Es bedurfte ja auch einiger Aufklärung, wieso plötzlich so viele Menschen von ihrem ewigen Leben so wenig hiel ten, daß sie es verschleudern wollten, was wieder zur Folge hatte, daß jene, die ursprünglich ihr Ver mögen in ewigem Leben anlegen wollten, sofort die Lust daran verloren. Untersuchungen ergaben, daß vor allem die sogenannten sozialen Unterschichten zu den Verkaufswilligen und die Oberschichten zu den Kaufwilligen gehört hatten. Das Schlußwort der Theologen war einigermaßen beruhigend. Sie erklärten, daß das ewige Leben ohnehin unveräußerbar sei. ,,Das habe ich mir gleich gedacht", meinte Marian ne, als sie das in der Zeitung las. Raimund nickte. ,,Ob das der Inhaber der Lbentaler Glashütte auch weiß?", fragte er zurück. Ein halbes Jahr später wurde das Haus in der Sied lergasse 35 versteigert. Ein Maschinenhändler, der die ruhige Gegend schätzte, erwarb es wohlfeil. ,,Kennen wir uns nicht?" bemerkte er im Gespräch mit Raimund. Das Paar, das sich beim Theaterspielen gefunden hatte, zog in ein sechzehnstöckiges Haus an der Peripherie von Perburg. Raimund arbeitete ein paar Jahre in einer Lackiererwerkstätte. Beide alterten schnell und schweigsam.

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