Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 4, 1978

Das Teschener Friedensinstrument von 1779 Georg Heilingsetzer Die heutige Gestalt des Landes Oberöster reich ist - verglichen mit anderen österrei chischen Bundesländern - erst relativ spät erreicht worden, und zwar im Jahre 1779, als durch den Frieden von Teschen das ehemals bayerische Gebiet zwischen Inn, Donau und Saizach Österreich zugespro chen wurde und seither als ,,innviertel" ei nen Bestandteil Oberösterreichs bildet, für das es nach den Worten Kaiser Josephs II., der die Neuerwerbung noch im selben Jahr bereist hatte, ,,ungemein passend" seiL Am 10. und 11. Märzdes Jahres 1779 waren die Gesandten der europäischen Mächte nach mühseliger Fahrt und bei regneri schem Wetter im schlesischen Städtchen Teschen eingetroffen^. Sie hatten die Auf gabe, den zwischen Preußen und Öster reich über der Frage der bayerischen Erb folge ausgebrochenen Konflikt, den ,,Kartoffeikrieg" oder ,,Zwetschkenrummei", wie es im Voiksmund schon damals hieß, auf ei nem allgemeinen Friedenskongreß zu be enden. Es waren dies im einzelnen die Ver treter der vermittelnden Mächte Frankreich und Rußland, Auguste Le Toneiier, Baron de Breteuii und Fürst Nikoiaj Vasii'jevic Repnin, die Vertreter der beiden Kontrahenten Preußen und Österreich Freiherr Johann Hermann Riedesel und Graf Johann Philipp Gobenzi sowie der Gesandte des ebenfalls Ansprüche auf Bayern stellenden Kursach sen Graf Friedrich August Zinzendorf. Als Gesandter Bayerns fungierte Graf Anton Törring-Seefeld und den mutmaßlichen Er ben des kinderlosen bayerischen Kurfürsten vertrat Freiherr Christian von Hofenfels, dessen Politik als Opposition gegen die österreichischen Aspirationen auf Teile Bayerns und das bayerisch-beigische Tauschprojekt wesentlich dazu beigetragen hatte, daß es überhaupt zum Krieg der alten Rivalen Preußen und Österreich gekommen war^. Dabei hatte sich das Problem der bayeri schen Erfolge schon seit den fünfziger Jah ren des 18. Jahrhunderts abzuzeichnen be gonnen und im Jahre 1759 wußte der fran zösische Botschafter in Wien seinem Hof nicht ohne Sorge zu berichten, daß Öster reich im Falle des Ablebens des kinderlosen Kurfürsten Max III. Joseph, des letzten Wit teisbachers der bayerischen Linie, Ansprü che auf bayerisches Gebiet erheben werde, wie er meinte, auf den Landstrich jenseits des Inn, also das spätere Innviertel, sowie auf die Öberpfalz". Ais der Erbfall zu Ende des Jahres 1777 dann tatsächlich eintrat - der ironische Kommentar Josephs II. dazu lautete; ,,daß uns der Kurfürst von Bayern den Streich spielte zu sterben" -, schaltete man aber in Wien rasch. Am 3. Jänner 1778 wurde ein Vertrag mit dem Gesandten des nach den Hausgesetzen nächsten wittelsbachischen Erben, des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, geschlossen, der die österreichischen Ansprüche auf Teile Bay erns anerkannte®. Der Kurfürst, dem Bayern stets fremd geblieben ist, war auch an einem Tausch Belgien (österreichische Niederlan de) - Bayern interessiert, träumte er doch von einem eigenen Königreich am Nieder rhein. Wenige Tage nach Abschluß dieses Vertrages besetzten österreichische Trup pen die zugesagten Gebiete, deren Zentrum in Niederbayern um Straubing lag. Im Ver trag vom 3. Jänner hatte sich der kinderlose Kurfürst Karl Theodor auch verpflichtet, die Zustimmung seines Neffen und präsumtiven Erben, des Herzogs Karl August von PfalzZweibrücken, zu erreichen. Dessen Bevoll mächtigter in München jedoch, der schon genannte Freiherr von Hofenfels, verwei gerte seine Unterschrift unter die ihm vor gelegte Konvention und konnte auch den schwankenden Herzog davon überzeugen, daß der Vertrag für das Haus Wittelsbach unvorteilhaft sei. Dies umso mehr, als der Herzog wußte, daß er mit der Unterstützung König Friedrichs II. von Preußen rechnen konnte, der sich die willkommene Gelegen heit nicht entgehen ließ, einem Macht- und Landgewinn Österreichs entgegenzutreten. öbwohl es der österreichischen Politik nicht gelang, das seit 1756 verbündete Frank reich zu gewinnen und auch Preußen von seinem russischen Alliierten keine wirk same Unterstützung erwarten durfte, berei teten die beiden Monarchen in Berlin und Wien alles auf einen kommenden Waffen gang vor. Beide mußten sich auch intern durchsetzen, denn es gab sowohl in Preu ßen als auch in Österreich starke Gruppen, die für eine friedliche Lösung der bayeri schen Erbfoigefrage eintraten, in Berlin als prominentestes Beispiel Friedrichs eigenen Bruder Prinz Heinrich und in Wien Maria Theresia, die Mutter des Kaisers, die an ih rem Lebensabend den Bestand der Monar chie nicht durch einen Krieg gefährden woll te. Gerade aber der Preußenkönig, der die wieder angeknüpften Verhandlungen nur zum Schein führte, blieb bei seiner Haltung, denn er war als Schützer des Reichsrechtes und Retter Bayerns - welche Ironie der Ge schichte - aufgetreten und wollte seinen moralischen Anspruch nicht verlieren. Da her verwarf er alle Tauschpiäne und Aus gleichsvorschläge, die ihm auch von seinen eigenen Staatsmännern und Diplomaten im Sinne der Idee des Gleichgewichts und der ,,Konvenienz" des aufgeklärten 18. Jahr hunderts gemacht wurden. Am 5. Juli 1778 marschierte er in Böhmen ein. Aber der Feldzug lief sich bald fest und wurde zu einem Ringen um Nachschub- und Versorgungsmöglichkeiten, eben zum ,,Kartoffelkrieg". Als sich Frankreich vermit telnd einschaltete, bestand König Friedrich darauf, daß es diese Rolle gemeinsam mit Rußland übernehme, das dadurch die Mög lichkeit erhielt, erstmals offiziell als europä ische Großmacht aufzutreten. Nachdem zu nächst die Oberpfalz als österreichische Gebietserwerbung ins Auge gefaßt worden ist, gestand Friedrich am 10. Februar 1779 das Innviertei zu®, die Nachfolge des Her zogs von Zweibrücken wurde sichergestellt, Preußen erhielt die Anwartschaft auf Ansbach und Bayreuth und das verbündete Sachsen, das aufgrund der Tatsache, daß die Mutter des Kurfürsten die Schwester des letzten Wittelsbachers der bayerischen Li nie war, ebenfalls Ansprüche angemeldet hatte, sollte von Bayern eine Entschädigung in einer Geldsumme von noch unbestimmter Höhe erhalten. Am 2. März wurde der Waf fenstillstand angenommen. So standen also die wesentlichsten Bedingungen schon vor Beginn des Friedenskongresses fest und das Problem der sächsischen Entschädi gung war in der Tat das schwierigste, das sich den Unterhändlern stellte. Österreich ergriff hier Partei des bayerischen Bevoll mächtigten und erklärte eine Summe in der Höhe, wie sie von Sachsen gefordert wurde, als unzumutbar für Bayern. Da der österreichische Botschafter in Berlin Graf Ludwig Gobenzi, der ursprünglich zum Bevollmächtigten Österreichs in Teschen ausersehen war, plötzlich erkrankte, wurde sein Vetter Johann Philipp Gobenzi mit die ser Aufgabe betraut. Allerdings ist ihm die Materie ursprünglich weitgehend fremd ge wesen, weshalb man ihm den Hofrat der Staatskanzlei, den Freiherrn Peter Philipp Herbert-Rathkeal, zur Unterstützung an die Seite stellte^. Nachdem alle Schwierigkei ten in langwierigen Verhandlungen aus dem Weg geräumt werden konnten - neben der sächsischen Entschädigung vor allem for male Fragen über die Beschaffenheit der Verträge -, konnte am 13. Mai, dem Ge burtstag Maria Theresias, an die Unter zeichnung geschritten werden. Diese ging natürlich in besonders feierlicher Form über die Bühne. Zunächst wurde in der Domini kanerkirche von Teschen auf Veranlassung des französischen Vermittlers eine Messe gelesen und um neun Uhr vormittags ver sammelten sich alle diplomatischen Vertre ter im Ständehaus. Die verschiedenen Ex emplare des Friedenstraktates wurden aus getauscht, vorgelesen und verglichen. Nun konnte endlich die Unterzeichnung erfolgen, nachdem zur Vereinfachung des Verfahrens

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