Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 1, 1970

Trotz einer damals noch weit verbreiteten Deutschsprachigkeit in Ungarn und eines für die Magyaren charakteristischen Han ges nach entlegeneren Literaturen als der nachbarlichen bildete sich seit 1862 eine Tradition ungarischer Übersetzungen her aus. Die Ungarn griffen zuerst nach ver wandten Motiven, aber „Brigitta", die am frühesten erschlossene Erzählung, gab (wie von der ungarischen Forschung selber er kannt wurde) nur ein imaginäres, illusionä res magyarisches Erzählmotiv ab. In das eigentliche Wesen Stifters drang man von ungarischer Seite her erst um 1921, als bei Kner in Gyoma die erste editorisch hoch wertige Ausgabe erschien. Stifters Werke fanden Eingang in eine weltliterarische Klassikerreihe und der Verleger konnte sich eines mit dem Werk des Österreichers kongenial vertrauten Übersetzers, nämlich Lörinc Szabo, bedienen, der mit seiner Übertragung des „Heidedorfes" Aufsehen erregte. Stifter hat noch in einer ganzen Reihe wei terer Länder weltliterarisch Wurzel geschla gen. Man muß abwarten, wie sich diese ersten zarten Keime weiterentwickeln. Die älteste französische Übersetzung stammt aus dem Jahre 1857, eine spanische Übersetzung neueren Datums zeigt unser Bildteil, von Seiten Israels ist eine starke wissenschaftliche Anteilnahme zu verzeich nen,und ein wenn auch spärliches Interesse ist, auf wenige Kenner und Fachleute ein geschränkt, im nordischen Raum von Finn land, Schweden, Holland, Belgien, Däne mark zu notieren. Eine aufschlußreiche Meldung kam anläß lich der Hundertjahrfeiern von Stifters Todesdatum 1968 aus der Sowjetunion. .Moskau veranstaltete eine große und infor mative Ausstellung für den österreichischen Dichter, in der man gesammelte Werke und Einzelausgaben in deutscher Sprache stu dieren konnte. Auch Bibliophiles, das noch zu Lebzeiten des Dichters erschienen war, lag auf, Sekundärliteratur und Bilddoku mentationen konnten eingesehen werden, der bildende Künstler Stifter fand gebüh rende Beachtung, und schließlich war der Auseinandersetzung mit der literarischen Eigenart durch Übersetzungen (der Werke „Granit" und „Das alte Siegel") eine Alter native gegeben. Eine Illustration des letzt genannten Werkes ist in dieser Arbeit zu finden. Wieweit fernerhin Stifters Gesamt werk noch in die Welt ausstrahlt, hängt nicht zuletzt von der Erstellung einer text kritischen Gesamtausgabe in den editori schen Zentren München, Linz und Prag ab. Die damit verbundenen Arbeiten laufen seit dem Stifter-Jubiläumsjahr 1968 auf Hoch touren. Es ist geplant, außerhalb der text kritischen Ausgabe eine kommentarfreie, auf den neuesten philologischen Stand ge brachte Volksausgabe auf den Markt zu brin gen,die damit auch dem Übersetzungswesen in aller Welt neue Impulse geben könnte. ADALBERT STIFTER R A C C O N T I INTRODUZIONE E TRADU2I0NE A CÜRA DI INES BADINO CHIRIOTTI TORINO UNIONE TIPOGRAFICO-EDITRICE TORINESE (ClX DITTA POUBa) Adalbert Stifter; Erzählungen, italienische Ausgabe, Turin 1956 Gmunden hat immer Saison Tradition kann man nicht kaufen, man kann sie bei entsprechenden Voraussetzun gen in Jahren und Jahrzehnten erwerben. Gmunden, seit 1861 Kurstadt, besitzt eine vielseitige Tradition, der sie sich auch voll verpflichtet fühlt: Das ehemalige Königs haus von Hannover erbaute in Gmunden die Neo-Tudor-Burg Cumberland und führte hier Hof. Das aus Florenz vertriebene Großherzogshaus Habsburg-Lothringen er warb in Gmunden die malerischen Schlös ser Ort, baute die Schloßvilla Toscana und hielt hier ebenfalls eine Hofhaltung. Aber nicht nur die politische Prominenz der da maligen Zeit kam nach Gmunden, um sich hier seßhaft zu machen oder um die Traunseelandschaft zu besuchen, auch die Künst ler waren von Gmunden angetan: Schubert, Lenau und Scheffel haben Gmunden mehr fach aufgesucht, Brahms fühlte sich in einem Gmundner Freundeshause wahrhaft daheim und Hebbel erwarb das einzige Haus, das er in seinem Leben besaß, in der Traunseestadt. Mit Goldmark,der 44 Sommerurlaube hier verbrachte, dem Maler Angeli und vielen anderen ließe sich die Reihe der strahlenden Namen fortsetzen. Tradition ist aber nicht alles, ja sie ist nicht einmal genug. Deshalb ist die Traunseestadt bemüht, auch der heutigen Zeit zu entsprechen und die Menschen unserer Tage anzusprechen. Gab es schon vor hundert Jahren See- und Esplanadenfeste in Gmun den, so lebt die Tradition fort, aber sie hat sich den neuen Lebensformen angepaßt. Nicht umsonst ist die Zahl der jungen Menschen, die nach Gmunden in Urlaub kommen,im Vergleich zu anderen Kurorten relativ groß. Im Ortsbild, im Volks- und Brauchtum das Alte zu bewahren, ist eine ebenso wichtige Aufgabe, wie die. Neues zu schaffen und den Zeitgeist nicht zum Stillstand zu brin gen. Beides nimmt man in Gmunden gleich

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