Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

noch der Leichtsinn!) ewigkeitssehwer ist und viele etwas von einer Denker- und Grüblerart haben, die, ob kirehlich genährt und gewendet oder ob in freier Bahn sich ergehend, das Leben mit Problematik beladet. Wir sind im Lande Konrad Deublers, im Lande, in dem sich die Ahnen so Grillparzers wie Anzengrubers finden. Religion war es, um die es der Handel-Mazzetti, um die es einem Hammerstein ging, Religion lebt im Werke Fischei'-Colbries wie, auf ge ringerer Ebene der Dichtung, bei Josef Renhardt und Josef Wilhelm Binder, bei Hans Reinthaler und aueh Hugo Maria Pachleitner, bei Carl Martin Eckmair oder Eduard Christoph Heinisch. Weltanschauliehe Spannungen aber durchzittern den Sturm- und Drang-Pessimismus eines Robert Höllersberger, sie finden sich bei Max Narbeshuber in seinen Fragen der Zeit aufwerfenden Romanen wie in den freilich in jeder Hinsicht problematischen Dramen des Karl Wiesinger; Rudolf Bayr und Kurt Klinger aber haben sich, nach „revolutionären" Anfängen, an die schützenden Ufer konservativer Gedankengänge gerettet. Vorwiegend ist der festlieh abgegrenzte Raum, in dem unsere geklärte Dichtung (etwa von der Art Fischer-Colbries) sich erhebt, der einer aus christlichen, aus germanischen und deutsehen, aus eigentlich-österreichischen Werten gebildeten Tradi tion. Sie wird besonders lebendig und ersichtlich, wenn es darum geht. Gestalten der österreiehisehen Geschichte dar zustellen, da spürt man, wie des Dichters Herz höher und heißer schlägt: bei Lernet-Holenia wie vordem bei der Handel-Mazzetti - wie oft ergreift da verehrende Liebe den Griffel! -, bei Lettenmair,bei den der Handel-Mazzetti geringeren Mitschwestern, der Grete von Urbanitzky, der Hedda Wagner, dieser fortschrittlichen Gedanken huldi genden Volkserzählerin, der Luise Bachmann, bei Billinger wie Hermann Heinz Ortner, in den einfacheren Schöpfungen eines Watzinger oder auch Fritz Kolbe, und der Lyriker Fischer-Colbrie wird zum begeisterten Dramatiker, wenn es um die historische Gestalt Johannes Keplers, zum Hymni ker, wenn es um Haydn oder Bruckner oder Stifter geht. Aber bei aller Freude an der Geschichte und am großen geschichtlichen Geschehen geht es dem Oberösterreicher mit ihr nicht anders als Grillparzer, dem Modell-Öster reicher: schließlich erscheint ihm die Tat nicht mehr das Letzte, das Segenstiftende, sie wird ihm zur Gefahr des Innern, der Träumer wird mehr als der Täter, eine AVendung,die nicht nur das Schaffen des einstigen Reiteroffiziers Lernet-Holenia durchzieht. Es ist der vom Dichter unserer Art gern angetretene Rück zug ins Seelische (Fischer-Colbrie, Stöger, zum Teil auch Eckmair usw.), ins Reich der Stille, der Gedanken, als erwarte er von dort die tieferen Erfüllungen. Bei manchen mag dies sogar ins allzu sehr von der Lebenswirkliehkeit sich Entfernende, ins Subjektivste führen, wie bei Johannes Würtz oder bei Peherstorfer, der sich vom satirisch-persön lichen Einfall fortreißen läßt, den er, wie aus dem Versteck seiner Klausur, gelegentlich abschießt; bei Rudolf Bayr kommt es zu einem literarisch immerhin gängig gewordenen Überwuchern des Intellekts. Aber es werden so auch die ehrlich Fragenden, die echt Ringenden geweckt — und wer, der unbefangenen Auges sieht, würde dazu heutigentags nicht? - Besonders seheint die Thematik: Zeit und Ewig keit, Zeit und Vergänglichkeit unseren Menschen im Blut zu liegen, wie sie sich schon bei Egmont Coleriis zeigte und bei Billinger, bei Fischer-Colbrie und Gottsehalk zeigt, bei dem sie vorerst schlesisches Erbe ist, bei Lipp dann,dem sie von den majestätischen Eindrücken seiner Bad Ischler Berge ins Herz gesenkt, aber auch durch manche Lebenserfahrung nahegerückt ist, bei Kefer wie bei dem grübelnden Othmar Gapellmann, neue Gestalt nimmt sie bei Herbert Eisenreich an und dem allerweg suchenden Franz Josef Heinrich. Und wäre ein Dichter, durch dessen Werk nicht das Ewige raunte, und solch ewige Problematik? Und jene österreichische Melodie, die einen Saar etwa zu einer nicht weniger typischen österreichischen Erscheinung machte wie vorerst einen Grillparzer oder Raimund oder nachher einen Wildgans oder Schönherr, sie findet auch immer wieder einen oberösterreichischen Eigenausdruek: bei Egon Hofmann und Lernet-Holenia, dem Wahl- und Ehren-Oberösterreicher, nicht anders als bei Watzinger, Narbeshuber, Kolbe. Gerne wird die Landschaft in den dunkleren Stimmungsfarben des Elegischen erlebt, das Herbstliche und das Abendliche sind Lieblings-Seelenstimmungen oberösterreiehischer Lyrik,so bei Eckmair oder Hofmann und Pachleitner,so schon bei Baumgärtel.Dasdia lektisch Zergliedernde aber, die wissenschaftlich orientierte Analytik des Geschehens scheint dem oberösterreichischen Naturell an sieh weniger zu bedeuten: Friedl versuchte sich an einzelnen Gestalten psyehoanalytisch, und Fisenreich geht, als vorweg städtischer Literat, Wege solcher Art, ansonsten aber bevorzugt das dichterische Gemüt das Einfache und Herzliche (Kolbe und Pauk, die Bachmann und die Anna Kristek-Laimer, J. V. Stummers, des zürnenden Sprach reinigers, Sprüchlein und Verslein usw.), nicht umsonst ist das Kinderbuch bei uns daheim (die Handlgruber, die Staub, Sitta Kleinschmidt, voll Naturpoesie), das Puppen theater (mit dem Franz eine besondere Leistung er bringt), man liebt Darstellungen des Volks- und Gesellsehaftslebens (selbst in der bescheideneren Art der Susi Wallner, heute gewinnt ein Kain stärkste Wirkungen aus der Schilderung ländlicher oder vorstädtischer Mostlokale, des Urfahrer Jahrmarkts u. dgl.), man schätzt das Gemüt lich-Vertraute, das Vertrauliche (bei der sonst so gläsern spröden Irmgard Beidl-Perfahl einmal ein Lob des Kaffee hauses von geradezu wärmender Unmittelbarkeit1), die Schilderung ländlich-bäuerlichen Geschehens, wie es die Jahreszeiten bringen, aber ebenso auch schon ein Eingehen auf die Arbeit in Fabrik und AVerk. Gerne bleibt man auch in dem, was liierarische Tradition des Landes geworden: man hält sich auch im Formalen, im Metrischen zum Beispiel, an bewährte Formen: so FischerColbrie, der Musikalisehe, der sich gegen irgendwie harte Neubildungen innerlich wehrt. Ihm folgen die meisten. Zu neuen Formen drängen wie immer die Jungen: F. J. Heinrich etwa mit den „Lichtzellen" seiner Gedichte, Karl Wiesinger mit seinen dramatischen Experimenten, desgleichen Wilhelm Koller, avantgardistisch sich mühend. Das Festhalten am Literarisch-Traditionellen bringt auch mancherlei Abfolge zutage, ohne daß diese zur Nachfolge wird. Kein Mundartdiehter (auch -dichterling, wie es deren heute in jedem Nest gibt), der sieh nicht irgendwie an Stelzhamer hielte, des übermächtigen Stifter WirkungsNachsommer aber hat nicht nur edle Früchte hervorge bracht (wie die Zerzers), sie hat aueh zu manch epigonalen Zügen geführt (nicht nur in dem schon in solchem Sinne erwähnten Romane Stögers, wo die Stifterei fast aufdring lich wirkt, auch im Stile Tumlers, der oft geradezu schwelgt 42

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