Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

leben unserer Art, wenn Hans Hamberger bei seiner „Ankunft in Bagni di Casciana" I944(!) Dante zitiert. Immer wieder auch wird aus Fernweh Heimweh. „Wer das Ferne sucht, will heimwärts finden. In das Wurzelreich, das ihn genährt", sagt Hans Bahrs. Reiner, nach Raum und Zeit beziehungs armer Ästhetizismus aber ist, was für die innei'e Gesundheit unseres Menschenschlages recht bezeichnend ist, sehr selten, nur Randerscheinungen wären hier zu nennen wie der dichtende, humanistisch gebildete Mühlviertler Bauer Josef Alexander Binder oder Johannes Würtz, und manches in Rudolf Bayrs Schaffen gehört hierher. Tradition im Sinne urtümlich-lebensspendender Kräfte und Werte; nicht jener, die nach einer Art von natürlichem (bei uns freilich auch weit verbreiteten!) Beharrungsver mögen als sich versteinernde Formen nur mehr ein Schein dasein haben, sondern jener, die aus dem geistigen Mutter boden Österreichs, aus den seelischen Wurzeln dieses Bodens wuchsen und wachsen - und wie oft wie unter dem Anruf und im Ansturm der Geschichte! -, solche Tradition lebt und webt in den Besten unserer Literatur. Gewiß gibt und gilt es da heute zu scheiden, und die Scheidung mag mit unter schmerzlich sein: es gibt Traditionen, die sich umge wandelt haben, manches von dem, was noch vor wenigen Jahren als österreichische, als oberösterreichische Tradition empfunden wurde, ist Ballast und Belastung geworden, die heraufkommende, ganz andere Zeit verlangt vielfach ganz andere Formen. Aber gerade bei denen, die des neuen Gefühles voll, der neuen Aufträge bewußt sind, bleibt, was wir den „traditionellen" Kern unseres Wesens nennen möchten, erhalten, vielleicht ist nur alles in ein nüchternes Kleid gebracht, vielleicht wie in innerer Verteidigungs stellung einer Welt gegenüber, die ihre Traditionen immer mehr verliert; so ist es der Fall bei dem von der Zeit zu tiefst aufgewühlten Josef Laßl, bei Linus Kefer, bei dem neue, europäische Werttafeln suchenden Hugo Schanovsky, wenn er etwa seine „Weltkarte" zeichnet, bei Franz Kain, dessen soziale Anklage nicht minder oberösterreichischer Tradition des Suchens nach Recht und Gerechtigkeit ent springt (wir sind im Lande Stefan Fadingers!) wie sein Hingegebensein an die Natur, wenn die Menschheit versagt. Und wenn Rudolf Walter Litschel einen „Herrn Hofrat" sagen läßt: „Tradition, meine Herren, in Ehren, aber un sere Gegenwart braucht mehr!" so findet gerade er (in der Skizze „Auf dem Weg nach Damaskus") ein „blitzartig" erleuchtendes Gleichnis für die hier gemeinten Zusammen hänge: „Um das Österreichische zu begreifen, muß es einem so ergehen wie Saulus aufdem Weg nach Damaskus. Man kann als Österreicher geboren worden sein, man war es jahrzehntelang, legalisiert durch Paß und Staatsbürgerschaftsnachweis, aber man glaubte nicht daran - bis eines Tages der Blitzstrahl niederfährt." Sind nicht so manche heute wieder auf dem Weg in ein österreichisches „Da maskus"? Der Erbmasse im Blut - erst eine noch nicht vorhandene Literaturbiologie würde dem forschenden Blick hier Unterströme dessen zeigen, was zur Traditionsmasse in uns zusammengeströmt, nicht eine Rassenkunde der heute überwundenen Art, und nur zum Teil eine literaturgeo graphische Stammesbetrachtung in Josef Nadlers Art -, ihr gehen poetische Ahnungen nach, wie sie etwa die alles Mütterliche, und so auch das Urmütterliche, das EwigWeibliche in ihrer Lyrik verkündende Erna Blaas gibt. Karl Hochgatterer: Illustratioiisprobe zu Hermann Friedl „Der Land arzt", S. 85. Kein Zufall,daß sie,etwain den „Balladen der Rauhnacht", einen Zugang zum nordischen Mythos findet, wie nicht anders Hans von Hammerstein oder gar Richard Billinger, Ur-Traditionen gleichsam steigen da aus vorzeitlichen Dämmerungen, hereingeholt ins Christliche oder Fast christliche; ähnlich auch bei Linus Kefer, bei dem Ältestes aufbricht wie auch noch bei dem mitunter in „heidnischen" Tönen sich ergehenden Hannes Peherstorfer. Skepsis und Glaube sprechen aus Alexander Lernet-Holenia, womit er aber ein recht wesentliches Zeugnisjener weltanschaulichen Ehrlichkeit abgibt, die dem Menschen von heute ziemen würde. Bei ihm ist alles ohne sozusagen urheidnische Be züge, Antik-Mythologisches zum Symbol benützend, denkt er modern. Religion aber, und keineswegs nur in ihrer traditionellen Form,ist Schwerpunkt von Wesen und Werk vieler, die in diesem Lande schreiben, wo der Sinn (oft 41

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