Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

im Einfach-Beschreibenden), und Stifter steht, ein Stern,zu dem man aufblicken muß, weil er so am oberösterreichi schen Himmel steht, daß einen sein Leuchten verfolgt, über den Arbeiten so verschiedener Naturen wie Susan oder Eisenreich, und natürlich Jungmair. Daß sich eine Billinger-Tradition entwickelte(der in seinen Anfängen auch Kefer nachging) konnte nicht ausbleiben. Mit dem Sinn für das Volksmäßige und für das täglich Notwendige des von Arbeit erfüllten Lebens hängt es zusammen, daß die soziale Dichtung bei uns Mund und Ohr gefunden hat, freilich ohne die aufrüttelnden Empörungs töne anderer Zonen; die soziale Thematik findet sich schon bei Karl Emmerich Baumgärtel (dessen Bestes, Lfneingeholtes seine „Lieder eines Arbeitslosen" waren) und Josef Luitpold, auch dann bei Max JLarbeshuber und heute bei dem Arbeiterdichter Gerhart Baron, einem Schlesier und also von der Not geläuterten Alenschen, wie bei Franz Kain, der ergreifend viel und viel Ergreifendes von der Tragik arbeitender Menschen in unserm wilden, politi schen Jahrhundert zu sagen weiß. Immer auch ging österreichisches und auch oberöster reichisches Lebensgefühl literarisch gern in die Weite, mitunter ins Abenteuerliche, man empfand, durch die Schule des Vielvölkerstaates gegangen, das Ferne eigentlich nie als fremd, eher als verlockend, etwas wie das Band einer gemeinsamen Tradition umschlang da Menschen ver schiedener Sprachen. Die Weltoffenheit Hermann Balm, des Linzers — er war einer, wenn er's auch nicht immer wahrhaben wollte —, mag dem neuen, geographisch so viel kleineren Österreich Vorbild geben. Durch seine Neu tralität ist der Staat doch wieder zu besonderer Bedeutung gelangt, durch die neue Pflege seiner Tradition zu welt weiter Wertschätzung. Und wir verstehen, wie angesichts des Meeres noch ein Lettenmair sagen konnte: „Das alles ist unser Vaterland." Solchem Gefühle gehört es aber auch zu, wenn wir literarisch heute gern ins Ferne schweifen, des nahen Guten eingedenk bleibend. Wenn also etwa Karl Kleinschmidt (oder auch T. Maria.Seidelmann) selbst in Japan landen und auf dem lyrischen Felde, einem ostasiatischösterreichischen Felde gleichsam, kostbare Blüten von Haikus gedeihen lassen, solchem auch, wenn Siegfried Torggler sich chinesischer Motive bedient oder Karl Wie singer bei seinen dramatischen Expeditionen nach Afrika gerät. Ruhige Entwicklung war dem literarischen Leben im Zeit alter der Monarchie beschieden. Auch im Lebensstil war es in mancher Hinsicht ein Biedermeiern über das Bieder meier hinaus. Auch in Oberösterreich verlief die vor allem bürgerlich geführte Dichtung in sanfter Bahn, nur selten unterbrachen besondere Erregungen (wie die von dem Linzer Adolf Schwayer mit seiner „Sittennote" hervorge rufene) den gewohnten Fluß. Eine bestimmte Art des Ge mütslebens breitete sich über die Menschen der österreichi schen Räume. Wenn Herbert Eisenreich etwa in „Die schöne Leich'" von der Psychologie des Wieners spricht, bei dem eine Freude an den Genüssen des Daseins mit einem ab gründigen Pessimismus verquickt ist, so trifft er damit etwas vom Typ des Österreichers überhaupt und gewiß auch von der Seelenlage des Oberösterreichers von damals - und heute. Dann aber kam die Zeit, da Fremdes Gewalt übte, und hernach konnte, auch in der Literatur, nichts mehr so sein wie es vordem gewesen. Man rang um die SelbstbeJohannes Zauner: SONNE IM BAROCK Spätabendsonne, wie alter Wein Auf hohen Hügeln gesogen. Tropft warm durchs Fenster auf kalten Stein, Auf schwere Wände und Bogen. Da strahlt das Gold und das Rot und Blau, Lebendig wird's in den Ecken, Und lächelnd freun sich der bunten Schau Die Engel in den Verstecken. Die Schar der Heiligen lugt hervor Und horcht in lichtem Erstaunen: Denn hoch herab von dem Silberchor Da flammen klare Posaunen! Der Abdruck dieses Gedichtes erfolgt über Wunsch von Dr. Hubert Razinger, der in ihm für seinen Aufsatz Beispielwirkung sieht. hauptung: des österreichischen Wesens wie des Staates und seiner selbst. Die Jahre ab 1934, im Grunde ab 1918, be bedeuten für jeden einen ständigen ethischen Kampf in seinem Innern. Zeugnisse all dessen, was da, schicksalsund unheilsträchtig biszum täglichen Entsetzen, geschehen, werden erst allmählich kund. Mancher gab sich fremden Frondienst hin - Lernet-Holenia wehklagte: „Wie wenig Ehrfurcht hast du vor dir selbst!"-, manche davon fanden sich später wieder zum Eigenen, zu all dem, was man im Worte „Tradition" wieder bergen konnte. Es kam der Krieg, welcher, um eine Wendung Eisenreichs zu gebrauchen, „den Blick verstellte", und wenn man fast vergessen hatte, daß es kein starres Sein und Bleiben, sondern nur ein Werden und Wandeln gibt, jetzt mußte man's wieder begreifen. Manches löschte der Krieg für immer aus, beste Talente, nieht mehr Hoffnungen allein, gingen zugrunde: Ernst Egermann, auf Hölderlins Spuren gehend wie Bruno Ammering, und den in der Zeit weit über die Zeitgereiften Robert Höllersberger. Nicht nur Menschenleben, es war die Zeit, die „Kerze und Kränze löschte", wie Laßl sagt, dem aus aller Not die „Zuflucht im Worte" blieb. Die großen Zweifel stiegen auf, die großen Ängste kamen. Franz Höng wird es, als „wollte rück zum grenzenlosen Chaos die Welt sich in sich selbst zerstören", und vielen wird's „unangenehm", wie dem Bader in Eisenreichs Erzählung 43

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