Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

ALOIS GROSZSCHOPF Aus der literarischen Umwelt Adalbert Stifters in Oberösterreich Das geistige Klima in Oberösterreich war zu Stifters Zeiten nicht ganz so rauh und unwirtlich, wie es verschiedentlich dargestellt wurde, und Linz mit seinen damals kaum 30.000 Einwohnern war durchaus nicht das weltferne Provinznest, in dem man angeblich keine geistige Ansprache finden konnte. Freilich, von der Warte Wien aus gesehen, mußte alles verblassen, was außerhalb der Kaiserstadt bestand. Hermann von Gilm hätte den Überheblichen und den an jeder Geistigkeit in Linz Zweifelnden kein besseres Schlagwort liefern können als das Lobgedicht auf den Pöstlingberg, in dem er Linz auf Provinz reimen läßt. Adalbert Stifter pflegte mit den zeitgenössischen oberösterreichischen Literaten wenig Kontakt. Er war kein Vielleser und kannte wahrscheinlich von dem, was die Schriftsteller aufder durchschnittlichen literarischen Landes ebene produzierten, nur deren Beiträge in der „Linzer Zeitung". Dieses Blatt war seit 1848 die erste täglich er scheinende Zeitung Oberösterreichs, erreichte ein hohes Niveau und hatte Stifter im Jahre 1849 zum Hauptschrift leiter. Wer kennt heute noch Gustav Theodor Fobbe, P. Beda Piringer, Karl Guntram, Johann Sirowy, Alois Baknecht, Moritz Leopold Schleifer, P. Markus Holter und die anderen vielen, die in Oberösterreich zu Stifters Zeit wirkten? Selbst einige aus dieser Schar herausragende Namen, wie Johann Baptist Salfinger und Otto Prechtler, müssen in dem Reigen der Großen Österreichs verblassen. Es bleiben nur mehr ganz wenige, diese aber haben, zu sammen mit Stifter, dem literarischen Oberösterreich eine eigenständige geistige Note verliehen. Stifter wußte schon, mit wem er sich umgeben mußte. Linz stand damals kulturell hinter Graz, das immerhin seine Universität und seinen Erzherzog Johann hatte. Es stand aber auch hinter Innsbruck, das seit 1669 eine hohe Schule aufweist. Gerade Stifter war es gegeben, im Jahre 1849, ein Jahr vor seiner Ernennung zum Schulrat, als Berater des ersten bürgerlichen Statthalters unseres Landes, Dr. Alois Fischer, ein Gutachten über die in Linz zu grün dende Universität zu verfassen. Stifter lehnte in seinem Gutachten eine Universität ab, weil er das geistige Prole tariat fürchtete. Seine Expertise wirkt nicht immer über zeugend, vielleicht ist auch der Gram dahinter, daß er selbst sein Studium nicht abschließen konnte. Ob er wohl auch an seine schriftstellernde Umgebung in Oberösterreich gedacht hat, wenn er in seinem Gutachten schreibt: .. Die Fachmäner, vorzüglich Juristen u Mediziner, welche durch ihre Wissenschaft kein Brod fanden, ferner die, die zur Betretung des wissenschaftlichen Pfades sich verleiten ließen, ohne ihn dan fort zu sezen, wurden meistens Schriftsteller, ohne die zu diesem Stande nöthigc tiefere Bildung zu besizen; sie wurden in der schönen Literatur zur Phrase hingetrieben ohne der sittlichen Würde u der mänlichen Mäßigung, daher sich mit Erschreken voraussagen ließ, was aus dieser herrschenden Hohlheit menschlicher Gefühle u Ausdrüke werden wird, wen sie einmal im öffentlichen Leben mit Kraft u Maß auftreten sollte: sie besezlcn zu ihrem Lebensunterhalte die Menge der politischen Journale, waren darin die Unzufriedenen, u legten jene Gattung Staats kunde an, welche der objectiven Grundlage entbehrend, aus Schlag wörtern besteht, u ohne den gegebenen Thatsachen Rechnung zu tragen, die Entwiklung u schrankenlose Erweiterung gewisser Staats formen als absolutes u leztes Gut hinstellt. Diese in der Zcitungsliteratur niedergelegte Staatskundc hat die Bevölkerungen, die ebenfalls keine anderweitige bessere Kunde haben erlangen könen, zu dem Zustande vorbereitet, in welchem sie dan die maßlosen Erweiterungen ihrer Thätigkeit u Mitwirkung in Staatsdingen verlangten, ohne doch dieser Thätigkeit u Mitwirkung gewachsen zu sein, u ohne zu wissen, daß gewisse Formen in ihrer unbeschränkten Erweiterung entweder zu Unbeweglichkeit werden, oder gar die Erreichung des Zwekes völlig vernichten. Die Geschichte zeigt, daß in den Revolutionen, die ihre Urheber nicht mehr zu bändigen u leiten im Stande waren, seit 1789 brodlose Ärzte u Juristen eine große anregende Rolle gespielt haben. Dieses literarische Proletariat ist das eigentlich staatsgefährliche ge worden; es kan nicht mit Arbeit beschäftigt werden, u liefert die Führer, ohne denen die eigentlichen unteren Schichten nur im Falle des Hungers tumultuiren würden .. Wir wollen in der Folge nur einen Rundblick tun über Stifters geistige Umwelt, die ihm während seiner Lebens jahre in Oberösterreich Ansporn oder Ablehnung bedeutete, mit der er sich, so oder so, auseinandersetzte. Was für einen Idealismus als Pädagoge und welche Liebe zu diesem Lande mußte Stifter in sich gespürt haben, als er den Posten eines Inspektors für die Gymnasien Wiens und Niederösterreichs ausschlug und nach Linz ging! Wir wissen es heute, Stifter nahm den Posten eines Inspektors für die Volksschulen Oberösterreichs an, weil er - unge wöhnlich für die damalige Zeit- ein Verfechter der Bildung von unten her war; weil er hier die größeren Aufgaben sah, aber auch, weil ihm das herrliche Land, das er in erster Linie mit den Augen des Malers sah, längst zur zweiten Heimat geworden war. Daß er mit zunehmenden Schwie rigkeiten, die sich ihm auf Grund seines pädagogischen Denkens und Tuns entgegenstellten, seine innere Einsam keit in Linz beklagte, soll nicht verschwiegen werden. Aber wir sollten seine zeitweise Verzagtheit, die manchmal auch aus eigenem menschlichem Versagen erwachsen ist, nicht für alle Zeit seiner Linzer Jahre mit schwerem Ge wicht wägen. Dagegen sind die Bande der Freundschaft zu verschiedenen Literaten in Oberösterreich doch so nachhaltig nachweisbar, daß es sich lohnt, auf sie hinzuAnton von Spann Uber die Familien des Hauptmannes Otto Perin von Wogenburg,Josef von Arneth, dem Gatten der berühmten Burgschauspielerin Toni Adamberger, der einstigen Braut Theodor Körners, und Matthäus von Collin war Stifter mit dem damaligen oberösterreichischen landständischen Syndikus Anton Ritter von Spann bereits in Wien bekannt geworden. Anton von Spann ist einer der ersten großen Sammler unseres Landes. Er erwies sich mit seinen Veröffentlichungen 27

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