OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

170 Innerösterreichischen Gewerbeverein zurück, dessen oberösterreichische Zweiggruppe der Steyrer Eisenhändler Josef von Koller leitete. Seit 1864 gab es dort abendliche Fortbildungskurse für Gewerbetreibende. Eine EnquêteKommission von Fachleuten, der unter anderem Josef Werndl und Karl von Koller angehörten, riet der Stadt Steyr, sich um die Bewilligung zur Eröffnung einer Fachschule für Eisenbearbeitung direkt in Wien zu bemühen. 1873 kam es zu Verhandlungen zwischen der Stadt und dem Handelsministerium – mit dem Resultat, dass der damalige Steyrer Bürgermeister Moritz Crammer die Errichtung einer ‚Fachschule für Eisen- und Stahlindustrie‘ am 23. Jänner 1874 offiziell bekannt geben konnte. Schon am 8. Februar 1874 öffnete die neue Anstalt ihre Pforten, der Unterricht wurde zunächst im Gebäude des ehemaligen Jesuitenklosters (heute Bundesrealgymnasium Steyr am Michaelerplatz) abgehalten. Die Steyrer Schulgründung war eine der ersten ihrer Art in der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie.7 Unterrichtsgegenstände waren Geometrisches Zeichnen, Freihand- und MaGroßbritannien das South Kensington Museum, London), stachen durch die Qualität ihrer Erzeugnisse hervor und waren eindeutig auf der Überholspur. Nach dem Vorbild des South Kensington Museums wurde in Wien 1864 das Österreichische Museum für Kunst und Industrie eingerichtet und – in Verbindung mit diesem Museum – ab 1867 die Kunstgewerbeschule geführt. Flankierend wurde vom Ministerium für Kultus und Unterricht das Referat für gewerbliche Schulangelegenheiten geschaffen, mit dessen Leitung man Armand Freiherr von Dumreicher5 betraute. Auf Betreiben des Handelministers, der die Zeichen der Zeit erkannte, kam es nun ab 1870 in den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern zur Gründung einer Reihe von Fachschulen und Lehrwerkstätten, so auch in Oberösterreich. Zu nennen sind unter anderen die Lehrwerkstätte für Holzschnitzerei in Mondsee (seit 1873, sie wurde sehr früh wieder geschlossen), die Fachschule für Holzschnitzerei und Marmorbearbeitung in Hallstatt (seit 1873), die Zeichen- und Modellierschule in Gmunden (1874–1880), die Fachschule für Holzschnitzerei und Tischlerei in Ebensee (1881–1923), die Fachschule für Spielwarenerzeugung und Drechslerei in Neukirchen bei Altmünster am Traunsee (1881–1894), die Webeschule in Haslach (seit Februar 1883) und die Keramische Lehrwerkstätte Schleiss in Gmunden (seit 1917).6 In Steyr hatte man bereits 1837 die Errichtung einer technischen Schule geplant. Die Initiative dazu ging auf den von Erzherzog Johann gegründeten 5 Armand von Dumreicher (* 12. 6. 1845 Wien, † 2. 11. 1908 Obermais bei Meran) war der Sohn des Chirurgen Johann von Dumreicher. 6 Schermaier (2009), S. 2–8. 7 Älter war die von der Kärntner Handels- und Gewerbekammer errichtete „Mechanisch-technische Werkstätte“ in Klagenfurt. Im Oktober desselben Jahres (1874) wurde die maschinentechnische Fachschule in Chomutov (Komotau) eröffnet. Vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurden im heutigen Bundesgebiet von Österreich neben der Steyrer Anstalt noch zwei weitere Fachschulen für Metallindustrie gegründet: 1878 die Lehr- und Versuchsanstalt für Handfeuerwaffen und im August 1897 die Fachschule für Eisen- und Stahlbearbeitung in Fulpmes.

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