OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

169 Bahnhof bis zum Ausstellungsgelände und dem Schloss Voglsang mit Glühlampen erleuchtet. An dieser damals als sensationell gefeierten Errungenschaft besaß Werndl den organisatorisch-technischen Hauptanteil. Trotz solch beachtlicher Erfolge stand es um die Kleineisenindustrie in und um Steyr nicht so günstig. Steyr war zwar ein traditionelles Zentrum der Messer-, Sensen- und Sichelproduktion, in den Betrieben der Region wurden wie eh und je Ahlen, Feilen, Hacken, Nägel, Scheren, Schermesser und andere Werkzeuge gefertigt, doch die Beseitigung des Prohibitivsystems 1851 und die Liberalisierung des Außenhandels [durch Verträge mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland (1865), mit Belgien und den Niederlanden (1867) sowie mit dem Deutschen Zollverein (1868)] öffneten der Konkurrenz, insbesondere den englischen Eisen- und Stahlprodukten, Tür und Tor. Es kam zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Beschäftigungszahlen sanken,4 denn im westeuropäischen Vergleich waren Österreichs Handwerk und Gewerbe rückständig. Dies hatten vor allem auch die Erfahrungen auf den erstenWeltausstellungen, 1851 und 1862 in London, 1855 und 1867 in Paris, gelehrt. Die Weltausstellung 1873 in Wien bestätigte das erneut. Jene Länder, in denen staatlicherseits kunstgewerbliche und technische Bildungseinrichtungen mit entsprechender Breitenwirkung geschaffen werden konnten (wie zum Beispiel in Frankreich das Conservatoire des Arts et Metiers, Paris, und in Dieses Schlachtereignis, das für den Gesamtstaat negativ war und zum AusscheidenÖsterreichs aus demDeutschen Bund führte, erwies sich als Chance für Werndls Betrieb und für die Stadt Steyr. 1867 legte Josef Werndl der österreichischen Kriegsverwaltung ein von ihm zusammen mit seinem Werkmeister Karl Holub konstruiertes Hinterladergewehr mit Wellenverschluss (Tabernakelverschluss) und 11-Millimeter-Kaliber vor. Dieses wurde am 13. April 1867 angenommen, und bereits am 4. September 1867 bestellte das Kriegsministerium 100.000 neue Infanteriegewehre nach dem System Werndl-Holub zum Preis von 27 Gulden 75 Kreuzer pro Stück. Am 1. August 1869 wurde mit Hilfe der Bodenkreditbank die Österreichische Waffenfabriksgesellschaft begründet. Wenn das Waffengeschäft auch vielen Menschen Brot brachte – 1889 überschritt der Personalstand der Fabrikgesellschaft die 10.000-Mitarbeiter-Marke, was zur Lebenszeit Werndls das Maximum darstellte3 –, so war dessen Konjunktur höchst schwankend. Immer wieder mussten Arbeitskräfte zu Hunderten entlassen werden. Einewirtschaftlich fühlbare Belebung erfuhr die Eisenstadt, als Josef Werndl – kurz nach der Entwicklung des dynamoelektrischen Prinzips durch Werner von Siemens – gemeinsam mit Sigmund Schuckert an den serienmäßigen Bau von Dynamos und Glühlampen ging. Vom 2. August bis 30. September 1884 war Steyr – nach Nürnberg und Berlin – eine der ersten elektrisch beleuchteten Städte Europas. Für die Elektrizitätsausstellung in Steyr, welche die vierte ihrer Art weltweit – nach Paris, München und Wien – war, wurde die Strecke vom 3 Doppler (1939), S. 30. 4 Schermaier (2009), S. 207 f.

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