OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

171 Versuchs-Anstalt und Lehrwerkstätte für Eisen- und Stahlindustrie in Steyr“ zusammengelegt. Die ungünstige Lage der Schule ließ bald einen Neubau geboten erscheinen, den die Stadt mit dem hohem Aufwand von 30.000 Gulden und dank finanzieller Hilfe durch die Sparkasse Steyr (15.000 Gulden) zügig in Angriff nahm. 1882/1883 entstand das – 1981 geschleifte – Gebäude in der Schwimmschulstraße 13. Noch während der Bauzeit gab Fritz Franz Maier den Direktorposten auf und folgte einer Berufung als Leiter der Flussregulierung in Bosnien und Herzegowina, wo er auch die unkenterbaren ‚Drina-Boote‘ konstruierte. Sein Nachfolger in Steyr war der Maschineningenieur Professor Alfred Musil [Vater des Schriftstellers Robert Musil], unter dessen Direktion das neue Schulgebäude am 23. September 1883 eingeweiht wurde. Die zwischenzeitliche Umbenennung der Schule in „Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung“ entsprach zwei einschneidenden organisatorischen Veränderungen: Die Unterrichtsdauer wurde um ein Jahr verlängert, und zur bisher als Hauptzweig geführten Abteilung für Messerschmiede trat zusätzlich eine weitere für Feinzeugschmiede und Werkzeugschlosser. Unter dem Eindruck der großen Elektrizitätsausstellung von 1884 tauchte dann der – erst 1920 umgesetzte – Wunsch auf, eine Abteilung für Elektrotechnik einzurichten. Nach Musils Wechsel an die Technische Hochschule in Brünn (1890) wurde der bisherige Fachvorstand Gustav Ritzinger,8 Schwiegersohn von Bürgermeister schinenzeichnen, Mechanik, Geometrie, Modellieren und einige kaufmännische Fächer. Aufnahmevoraussetzungen waren der Volksschulabschluss und der Nachweis längerer Berufserfahrung in einem einschlägigen, metallverarbeitenden Gewerbe. Den Fortbildungscharakter der Anstalt unterstrich unter anderem, dass die Lehrlinge der Werndlschen Waffenfabrik nur dann freigesprochen wurden, wenn sie ein Zeugnis über den erfolgreichen Besuch der Fachschule vorlegen konnten. Wegen des Fehlens einer Lehrwerkstätte wandte sich der Steyrer Gemeinderat an den Handelsminister, der Professor Ludwig Hauffe (vom Polytechnikum Wien) entsandte. Dieser empfahl die Errichtung einer Versuchsanstalt, die eine engere Zusammenarbeit mit der Industrie anstreben sollte. Zusätzlich zum theoretischen Unterricht sollte eine Lehrwerkstätte der praktischen Unterweisung in der Herstellung von Stahlgalanteriewaren dienen und insbesondere zur Förderung undVerbesserung der Messererzeugung beitragen. Die Genehmigung der ‚Versuchsanstalt für Stahl- und Eisenindustrie‘ erreichte Bürgermeister Crammer erst 1877 durch eine persönliche Vorsprache bei Kaiser Franz Joseph I. Direktor der im so genannten Leopoldsedergut (einer aufgelassenen Nagelfabrik mit Drahtzug in der heutigen Schleifergasse in Steyr-Aichet) situierten Einrichtung wurde der damals dreiunddreißigjährige Wiener Ingenieur Fritz Franz Maier (* 1844, † 1926), der später durch die Entwicklung einer Schiffsform mit gleitendem Rumpf, der nach ihm benannten „Maierform“, berühmt werden sollte. Ab dem Schuljahr 1878/79 wurden Versuchsanstalt und Fachschule unter dem Titel „k. k. vereinigte 8 Gustav Ritzinger (* 23. 3. 1856Wien, † 12. 11. 1900 Steyr) war von 1890 bis 1900 Direktor der k. k. Fachschule für Eisen- und Stahlbearbeitung.

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