OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

122 oder sie angehören möchte. Wichtig ist NeuheidInnen auch die Freiheit beim konkreten Praktizieren: die Erläuterung von Ritualen ist meist mit dem Zusatz versehen, man möge sich seine eigenen, individuellen Formen schaffen, um nicht einfach nur ein starres Schema zu kopieren. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die „freie Natur“. NeuheidInnen praktizieren häufig unter freiem Himmel, wobei das Bild von nackt im Wald Herumtanzenden nicht der gängigen Praxis zu entsprechen scheint. Mit diesem Bedürfnis nach Kontakt zur Natur geht meist ein – bewusst formuliertes – Bekenntnis zum Umweltschutz einher. NeuheidInnen haben das Bedürfnis, „im Einklang“ zu sein mit den Kräften der Natur. Dies scheint einer der wesentlichen Gründe für die Attraktivität prähistorischer Kulturgruppen zu sein: Man stellt sich die urgeschichtliche Vergangenheit gerne als eine heile Zeit vor, in der die Menschheit noch „naturverbunden“ war, nicht durch Technik der Umwelt entfremdet … Neuheidnische Gruppierungen beziehen sich jedoch keineswegs alle auf die gleichen Perioden der Vergangenheit. Wesentlich für die europäische Prähistorische Archäologie sind drei große Gruppen, die jeweils in zahlreiche Untergruppen aufgespaltet sind: Neodruidentum (Druidry5), Neue Hexen (Wicca6) und Neogermanentum. lisch Paganism oder Neopaganism).3 Neuheidentum wird dementsprechend von den meisten AutorInnen als ein Teil der modernen Esoterik verstanden. Wesentlich am Neuheidentum, und damit für die Archäologie, ist der ständige Rückbezug auf (prä-)historische Perioden. Das bedeutet, aus der Literatur geht zweifelsfrei die Überzeugung der NeuheidInnen hervor, ihre Religion sei nicht etwas vollständig im 19., 20. oder 21. Jahrhundert Geschaffenes, sondern etwas Wiederbelebtes bzw. Wiederzubelebendes, das teilweise im Untergrund ohnehin die Jahrhunderte der christlichen Unterdrückung überstanden hätte und/oder jetzt mithilfe der schriftlichen und archäologischen Quellen wiederbelebt werden könne. Es ist zu wiederholen, dass dies aus der neuheidnischen Literatur so hervorgeht. Es mag neuheidnisch agierende Personen geben, denen der problematische Quellenstand vollkommen bewusst ist, und die dementsprechend keinerlei Bezüge ihrer Religion zu irgendeiner weiter entfernten Vergangenheit herstellen. Doch die mir bekannte Literatur, und nur auf die beziehe ich mich in meiner Forschungsarbeit, macht deutlich, wie wichtig dieser Vergangenheitsbezug für das Neuheidentum ist, das sich nicht umsonst auch so nennt. Neuheidnische AutorInnen versuchen in ihren Büchern laufend sogenannte Traditionslinien herzustellen – einzelne Themen werden mit Quellen aus der Urgeschichte verknüpft, wodurch das hohe Alter einer bestimmten Vorstellung impliziert wird. NeuheidInnen praktizieren also etwas, das aus ihrer Sicht eine „alte Religion“ ist.4 Sehr häufig wird die Fahne der religiösen Toleranz hochgehalten – jeder und jede solle selbst frei entscheiden dürfen, welcher Religion er 3 Bischofberger 1996; Leskovar 2009, S. 12–16. 4 Leskovar 2009, S. 26 f. 5 Der Begriff „Druidry“ wird einerseits von Ronald Hutton in seinen Studien zur neuheidnischen Szene und ihrer historischen Entwicklung verwendet, andererseits von Teilen der neodruidischen Szene selbst (englischsprachig und andere). Druidry ist, soweit ich das überblicke, nicht unbedingt die allgemein gültige Selbstbezeichnung für jene, die sich der neodruidisch/neokeltischen Szene zuordnen.

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