OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter Niederösterreichische Grenze An die trennungsstärkste Grenze schließt sich nun wieder in größtenteils meridionalem Lauf die ausgesprochen trennungsschwache niederösterreichische Grenze an. Zuerst folgt sie der Wasserscheide zwischen Enns- und Ybbstal über den verkehrswichtigen Sattel von Oberland (515 Meter) bis zur Spindeleben (1065 Meter), verläßt aber dann die Wasserscheide, an die sie sich auch bisher nicht immer streng gehalten hat und führt als Bachgrenze den etwa 300 bis 400 Meter tief eingesenkten Namingbachgraben entlang. Infolge einer erst 1938 erfolgten und 1945 belassenen Grenzänderung verläßt sie den Namingbach bereits einen Kilometer vor seiner Mündung und führt am Rande des Wachtberges nach Norden gegen Namingdorf, Münichholz zu Steyr und damit zu Oberösterreich schlagend. Bei Ramingdorf erreicht sie dann die Enns und führt als „nasse Grenze ähnlich der bayrischen entlang von Enns und Donau bis Hirschenau in der Enge des Strudengaues, wo sie sich dann wieder nach Norden wendet und nun in ihrer Märkung den anderen Grenzabschnitten nördlich der Donau an die Seite gestellt werden kann. Bach- und Grabengrenzen haben in dem kuppigen Mittelgebirgsgelände des Granithochlandes weitaus den Vorrang, so an der Kleinen Isper, am Sarmingbach, Schwarzaubach, Großen Kamp und an den beiden Quellbächen der Waldaist. Bemerkenswert ist in diesem Abschnitt auch der schon von Sieger in seiner Arbeit über die Grenzen Niederösterreichs hervor¬ gehobene Zwiesel von Kronberg östlich Königswiesen, wie er für im Mittelgebirge verlaufende und aus Herrschaftsgrenzen erwachsene Landesgrenzen kennzeichnend ist 6). Zwei benachbarte, sich unweit Kronberg vereinigende Quelläste der Großen Naarn wurden hier für die Märkung benützt. Der Anteil der gemärkten Grenzstrecken ist nach dem Gesagten begreiflicher¬ weise sehr groß und steht nur wenig hinter der bayrischen Grenze (86,7 Prozent) zurück. Dennoch kann diese Grenze mit Recht als trennungsschwach bezeichnet werden. Rein physisch betrachtet, stellt sie sich ja wieder quer zur herrschenden Streichrichtung der Hauptwasserscheiden und zum Verlauf des Alpenvorlandes, ähnlich der bayrischen und die enge geschichtliche und wirtschaftliche Verflechtung mit dem Land unter der Enns tat noch ein übriges, um die naturgegebene Ver¬ kehrsgunst auszunützen. Die vorübergehende Benachteiligung durch die Zonen¬ teilung von 1945 ist auch zum Teil wieder überwunden. Die Natur hat aber auch hier nicht mit einigen Hindernissen gespart, ähnlich wie im Falle der bayrischen Grenze. Im alpinen Bereich macht sich der Grenz¬ verlauf die fiederförmige Gebirgsgliederung zunutze und ist daher bis zur Spindeleben als Lückengrenze anzusprechen, die nur im Sattel von Oberland der Straße und Bahn Weyer — Waidhofen an der Ybbs und im Saurüssel (553 Meter) der Straße Weyer — Groß-Hollenstein einen Übergang gewährt. Der Hindernischarakter der Namingbachgrenze hingegen ist bereits so schwach aus¬ *) R. Sieger: Die Grenzen Niederösterreichs, Jahrbuch für Landeskunde von Nieder¬ österreich Ig 1 (1902) S. 169 ff. 148

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