OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 3

Bausteine zur Heimatkunde Die Rückwand des Hauses ist durch eine fein proportionierte Hofanlage ausgezeichnet. Durch Erdgeschoß und zwei Stockwerke ziehen sich Laubengänge, die in ihrer malerischen Art an den Süden gemahnen. Weitgespannte Bogen ruhen auf Pfeilern und Säulen aus Granit, zierliche Steinballustraden schließen den Laubengang des zweiten Stockes nach außen ab. Vor Jahren, als hier noch nicht ein Weinstubenbetrieb eingerichtet war und weder lärmende Gäste noch Gläsergeklirr die friedliche Gartenstille störten, bot der Hof des Florianer Stifts¬ hauses mit seinem Blättergrün und Blumenschmuck ein herzerfreuendes Naturbild, eine Insel der Ruhe und Geborgenheit hart am Verkehrsstrom der Landstraße. Dieses Baudenkmal ruft die Erinnerung wieder wach an die von leiden¬ schaftlichen Kämpfen durchtobten Jahrzehnte der Gegenreformation. Es erzählt uns auch von der Kulturblüte, die Linz am Anfang des 17. Jahrhunderts erlebte 6). Die von Kunstverständnis und Bildungseifer erfüllten Landstände beriefen an ihre Landschaftsschule, die im neuen Prachtbau des Landhauses untergebracht war, hervorragende Männer der Wissenschaft. Hier wirkte seit 1611 der große Astronom Johannes Kepler, der während seines überaus fruchtbaren Schaffens in Linz der Menschheit Werke von unvergänglicher Dauer schenkte. Zu dem Linzer Gelehrtenkreis gehörten der als Schulmann, Sprachforscher und Geschichtsschreiber geschätzte Hieronymus Megiser und Dr. Abraham Schwarz, ein tüchtiger Jurist und Verfasser der oberösterreichischen Landtafel. Kurze Zeit stand auch Martin Zeiller, der Reisehandbücher über ganz Mitteleuropa schrieb und an Merians Topographien mitarbeitete, an der Landschaftsschule in Verwendung. So hatte Linz in der wissenschaftlichen Welt einen vortrefflichen Ruf. Aber auch politisch stand es im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, als in den Sturmjahren 1619 und 1620 die protestantischen Stände im Völlgefühl ihrer Kraft den Entscheidungskampf mit der landesfürstlichen Macht aufnahmen und sich gegen den Kaiser für die Herren des Landes erklärten. Im Jahre 1626 brandete das Bauernheer Stefan Fadingers gegen die Mauern der Stadt. Während der Belagerung sind 86 Häuser der Vorstadt zerstört worden, eine starke Einbuße, da die Häuserzahl innerhalb und außerhalb der Stadt im Jahre 1616 nur 286 betrug. Das Florianer Stiftshaus, das im offenen Gelände der Vorstadt gelegen war und des durch die Stadtbefestigung gebotenen Schutzes nicht teilhaftig wurde, scheint durch den Bauernkrieg keinen Schaden gelitten zu haben. Propst Leopold genoß ob seines menschenfreundlichen Wirkens allge¬ meines Ansehen7) und wurde wegen seiner bäuerlichen Abkunft gerne zu den Verhandlungen mit den aufrührerischen Bauern herangezogen. Da wäre es ver¬ ständlich, daß die Scharen Fadingers den Stiftsbesitz schonten. Für die ersprießlichen Dienste, die Prälat Zehetner während seiner langen Regierungszeit auf wichtigen Posten in der Landesvertretung und in besonderen Kommissionen dem österreichischen Herrscherhaus leistete, verlieh Kaiser 6) Straßmayr, Linzer Stadtbild S. 76. 7) J. Stülz, Geschichte des Chorherrenstiftes St. Florian (Linz 1835), S. 132 ff. 253

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