OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 2

Goldinger: Dr. Ignaz Zibermayr erschlossene Gebiete der Wissenschaft fortzuentwickeln. Darin besteht eben die Größe des Instituts und das Verdienst der Mehrzahl seiner Zöglinge, daß sie nicht stehen blieben, wo das Lehrziel endete, sondern neue Aufgaben erkannten und mit dem Rüstzeug, das ihnen das Institut vermittelt hatte, bewältigten, auch dann, wenn ihnen das Institut zunächst nicht zu folgen vermochte. Es ist doch bezeichnend, daß Zahn nach vierzigjähriger ehrenvoller und erfolg¬ reicher Arbeit im österreichischen Archivdienst offen Zweifel geäußert hat, ob denn das Institut die richtige Schule für den Nachwuchs an Archivaren sei, und auch Zibermayr, der sich, wie wir noch sehen werden, nie von der Institutsüberlieferung in Wissenschaft und Berufstätigkeit entfernte, hat es mit der ihm eigenen un¬ bedingten Offenheit als großen Schaden für das österreichische Archivwesen be¬ klagt, daß das Lehrziel des Institutes lange Zeit dort aufhörte, wo die Haupt¬ bestände der meisten Archive erst beginnen. Dieses Wort wiegt um so schwerer aus dem Munde eines Mannes, der in Linz, einer Stadt, die keine Hochschule beherbergt, das Landesarchiv nicht nur zum geistigen Mittelpunkt der Geschichts¬ forschung und Heimatkunde gemacht hat, sondern auch selbst durch Untersuchung und Darstellung immer weitergreifender Fragen der Landesgeschichte sicher und wegweisend voranschritt, so daß in Linz, wenn man von der Lehrtätigkeit absieht, geradezu ein Ableger des Wiener Instituts entstanden ist. Durch geschickte Aus¬ wahl seiner Mitarbeiter ist es ihm gelungen, für die Bearbeitung der verschie¬ denen Zweige der Landesgeschichte, für die Fortführung der Herausgabe des Urkundenbuches des Landes ob der Enns, vor allem aber auch für die Pflege der Rechts- und Wirtschaftsgeschichte die richtigen Männer zu finden. Aber wissenschaftliche Betätigung ist eben nur eine Seite des höheren Archivdienstes. Daneben erfordert auch die Bewältigung der praktischen Auf¬ gaben des Archivars stets den richtigen Mann am richtigen Platz. Dies traf bei Ignaz Zibermayr im vollsten Sinne des Wortes zu. Aus seinen Briefen, die sich im Nachlaß Oswald Redlichs finden, ist zu entnehmen, wie nachdrücklich er darau hingewiesen hat, daß der Archivdienst, und namentlich der in der Provinz, mit seinen vielverzweigten administrativen Aufgaben, nicht zuletzt auch bei der Aus¬ übung des Schutzes der Schriftdenkmäler, den Einsatz einer vollen Persönlichkeit, Liebe zum Fach, aber auch entschiedenes Auftreten erfordert. Der nächsten Generation österreichischer Archivare nach Zahn gehört Oswald Redlich an. Er ist eigentlich der einzige, in dem sich all das, was das Institut sein wollte und sein sollte, harmonisch zu einer Einheit verkörpert. Er ist der einzige Geschichtsschreiber Österreichs, der dem bei Gründung des Instituts ins Auge gefaßten Programm gerecht wurde. Daneben vertritt er als Forscher und Lehrer durch Weiterführung der Traditionen der Innsbrucker und der Wiener Schule der historischen Hilfswissenschaften bahnbrechend das Gebiet, auf dem das Institut seine größten Erfolge erzielt hat. Redlich war aber auch Archivar. Zu nächst am Beginn seiner Laufbahn in Innsbruck, später dann als der Mann, der durch seine Tätigkeit im k. k. Archivrat und weiter noch in der Republik auf 135

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