OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Heimatpflege In welcher Form kann man die Häusergeschichte anlegen? In der Form des Zettelkastens; jedes Haus hat sein Blatt. Doch hat auch die Heftform hier ihr Gutes, wenn man für jede Hausnummer mindestens vier Seiten freien Raum für Ergänzungen freihält. Nicht unwichtig ist es, sich von den Plänen zu beiden Grundbüchern (der vom Alten Grundbuch liegt meist auf dem Grundbuchamt auf) Pausen zu machen und die Hausnummern von heute einzutragen, bei dem alten Plan außerdem die Theresianischen Nummern. An Hand des Ortsplanes und der Nummern lassen sich, besonders wenn auch urgeschichtliche Wege und Funde bekannt sind, manche Vermutungen bezüglich der ältesten Anlage der Siedlung aufstellen. Ein Sammelheft mit alphabetischem Verzeichnis soll unsere Forschertätigkeit begleiten. Dort vermerken wir alles, was bei unserer derzeitigen Art von Arbeit „Streufund", „Fund am Wege", „Nebenprodukt“ ist, mit Quellenangabe natürlich. So kann z. B. unter „F“ im Laufe die Erklärung von Ausdrücken, wie wir sie aus dem Heimatschrifttum oder in müh¬ samer Eigenarbeit fanden, kann hier vermerkt werden, z. B.: frauntauft, Fronbote, freies Aigen, Feldschlangl, Fürsprecher, ferchene Pfosten, Fischwaid, Freistift, Freiung, Fassionstabella. Auch Abkürzungen: f., fol., Fasc., fl. Solche Ausdrücke oder Abkürzungen können den Geschichtsfreund — nicht nur den jüngeren — oft zur Verzweiflung bringen. Wenn nun alle Heimatforscher zusammenhülfen, Beiträge bringend oder fragend, könnte wohl in einer eigenen Rubrik der „Heimatblätter“ nach und nach der Grund gelegt werden zu einem volkstümlichen geschicht¬ lichen Sachwörterbuch (Glossarium). Welcher Dienst an der Heimat-Arbeitsgemein¬ schaft! Bücher, die hier in Einzelnem sehr gute Dienste leisten sind: Schmeller, Bayrisches Wörterbuch; Heyse, Fremdwörterbuch. Eine wertvolle Hilfe schaffen wir uns, wenn wir während unserer Arbeit auch eine „Preisgeschichte“ anlegen, ein Normheft, für jedes Jahrhundert, ab 1500 für jedes halbe Jahrhundert eine Doppelseite. Es wird auch die Geschichte der Währung (Münzen), Maße und Gewichte enthalten. Sehr wertvolle währungsgeschichtliche Angaben enthält Oberchristls Glocken¬ kunde. Die Rubriken können heißen: Währung, Maße, Gewichte; Lohn und Einkommen; Nahrung, Lebensmittelpreise; Kleidung; Hausrat und sonstiger Bedarf; Sonstiges. An anderen bedeutsamen Quellen bis zum Jahre 1848 seien genannt: 1837 der Schätzungskataster und 1840 das Hauptbuch des Besitzstandes sämmtlicher Grundeigentümer in den Steuergemeinden des Gerichtsbezirkes. Aus dem Jahre 1848 können wir gelegentlich der Umbildung der Gemeinden auf wichtige Einwohnerlisten stoßen. Der Ausblick in so „romantische Fernen“, wie es die Zeit der Urbare sein kann, darf uns locken, soll uns aber, besonders als Anfangende, nicht verlocken, die spätere Zeit, etwa ab 1800, geringer zu werten. Die Bearbeitung dieses Zeitraumes ist wahrhaft grundlegend. Die Verfassung der Häusergeschichte schließt schon hier genug anregende Seitenblicke auf. Ergeb¬ nisse aus dieser Forschung können in einem Heimatvortrag verwertet werden, etwa mit dem Thema: Unser Ort vor 150 Jahren und seine ältesten Geschlechter. Man muß den Eindruck eines solchen Vortrages erlebt haben: Der Nachweis, wie arm oft manche Geschlechter angefangen haben, der Hinweis, wie sich oft auf magerstem Boden gesunde Geschlechter am längsten erhalten und heute ihre Äste weitum ausbreiten, der Nachweis alter Geschlechter über¬ haupt, das Hindeuten auf Zeugen dieser alten Geschlechter in Bauformen und Einrichtung, der Nachweis der Versippung — all das wirkt tief. Mehr als lange Artikel oder Reden gegen die Landflucht es tun könnten, erzieht eine solche Rückschau zur Treue zur Scholle, bei allem gesunden Fortschrittswillen zur Ehrfurcht vor dem guten Alten. Sie kann Quelle der Erhebung aus der Plage des Alltags werden und der Gemeinschaftsgeist kann vielleicht doch ein Würzelchen tiefer schlagen Bei solcher Auffassung und Zielrichtung der Arbeit wird der Heimatforscher gewiß nicht eine heimlich belächelte Spitzweg-Bücherwurm-Figur werden, sondern auch Miterzieher am Volke. 181

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