OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter zu finden. Eine reiche Welt öffnet sich, gewachsen aus den Zeiten, da die ersten Ansiedler hier ihre Heimat schufen. Die Besitzerreihe zeigt Namen von Geschlechtern auf, die nach den alten Pfarrmatriken schon vor drei Jahrhunderten hier gehaust haben. Reich fließt der Born der Gewerbegeschichte, eine Fülle einst blühender, nun ausgestorbener Gewerbe taucht auf, vom Weber, Gerber, Färber, Bierbrauer, Gürtler, Seifensieder zurück bis zum damals aus¬ sterbenden Perückenmacher. Die Gegenüberstellung der Zahl der (selbständigen) Handels¬ betriebe um 1800 mit denen von heute deutet auf die Wirtschaftsentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert hin. Mannigfach und bedeutsam sind die Erkenntnisse in Bezug auf den Bauernstand. Im Zeitraum des Alten und des jetzigen Grundbuches liegt ein gutes Stück noch ungeschriebener Geschichte dieses Standes. Im Alten Grundbuch findest du Hausnamen in der Form, wie sie zurückreicht in die Zeit der jüngeren Urbare, du haft das Grundausmaß nach Äckern, Wiesen, Wald verzeichnet, der Viehstand ist gemeldet und für jedes Haus scheint die ganze Mannigfaltigkeit an Steuern, Abgaben, Zehent, Beiträgen zur Sammlung für den Pfarrer, Schulmeister und Landgerichtsdiener auf. Deine anfängliche Besorgnis: „Für unseren Ort ist nichts da“, wird gründlich zuschanden. Noch sehen wir bis 1848 in diesem Stand die ehrwürdige Stetigkeit, dann aber treten die schweren Krisen des 19. Jahrhunderts zutage: das Bauernlegen (Aufkauf durch Großgrundbesitzer, Zerstückelung durch „Anstauber"), eine Zeitlang bürgerliche Spekulanten als Hausbesitzer und ein rascherer Wechsel im Besitz, der Einbruch des Welthandels, besonders im Textilienfach, läßt sich feststellen (Abnahme der Schafzucht und des Flachsbaues). Aber daß Bauernwirtschaften abkommen, ist normalerweise eine Seltenheit, es sei denn, die Polypenarme einer werdenden Großstadt machen dem Altgewachsenen ein Ende. Die zum Alten Grundbuch gehörigen „Gewöhrbücher“ mit ihren Verträgen sind wie das Bilderbuch zu diesen Vorgängen. Noch mannigfache andere Aufschlüsse bringt das Alte Grundbuch: Über Währungs¬ änderungen, alte Maße und Gewichte, Steuergeschichtliches, Schulgeschichtliches. Sogar die uralten Pfennige, längst verdrängt durch Groschen und Kreuzer, tauchen noch vereinzelt auf, und in der Rubrik Ordinari Dienst sind Geldablösungen für einstige uralte Giebigkeiten an Käse, Eiern, Hahnen und Hennen, Mohn und Flachs eingeschlossen. So schimmert über die Schwelle der modernen Zeit in manchem noch ein Stück Wirtschaftsgeschichte des längst versunkenen Mittelalters herein. 4. Die nächste Quelle zurück ist das Josephinische Lagebuch, in den Jahren 1787/88 angelegt. Aus folgenden Gründen ist es beachtenswert: a) Nicht nach Herrschaften (ständisch), sondern in der Reihenfolge wie heute sind die Güter geordnet, es bleibt also vieles Suchen erspart. b) Dieses Grundbuch bringt Aufschlüsse über Bodenbeschaffenheit und Boden kultur, auch manche (heitere) Bemerkungen über die Eigenart der Bewohner; c) Grenzbeschrei¬ bungen der Fluren können wertvolle Fingerzeige geben, das alte Ortsbild betreffend; d) in diesem Buch tauchen die ersten Hausnummern auf (1770 von Maria Theresia angeordnet), im Franzis¬ zeischen Kataster, in der Zeit der Franzosenkriege, wurden sie geändert. 5. An noch weiter zurückliegenden Quellen seien erwähnt: Das Theresianische Gültbuch aus der Zeit um 1750, für Bauern- und Gewerbegeschichte ungemein schätzenswert, aber auch für die Häusergeschichte, weil Besitzerwechsel aus früherer Zeit samt Hauswert an¬ geführt erscheinen. Weiters Steuerbücher und Steueranschläge, Protokollbücher (Übergabe, Über¬ nahme) und endlich die Urbare. Diese sind Grundbücher und Steuerbücher in einem, sie beziehen sich auf ein bestimmtes Herrschaftsgebiet. Die Urbare können bis in die Zeit des Hochmittelalters zurückreichen. Schiffmann hat die mittelalterliche Stiftsurbare Oberösterreichs bearbeitet, Dopsch die landesfürstlichen. Manche haben ein Weistum im Anhang oder als Ein¬ leitung oder andere Einbegleitungen kulturgeschichtlich wichtiger Art. Urbare sind für den Heimatforscher von höchstem Interesse. Welche Schlüsse man aus den oft so trocken scheinenden Aufzählungen ziehen kann, zeigt Schiffmanns Werk „Ein altes Bilderbuch. Kulturgeschichtliche Skizzen.“ Aber erst dann gewinnen Urbare der früheren Jahrhunderte für uns Laien Leben und Farbe, wenn wir sie „rückschauend“ im Zuge der Grundbuchforschung, also eingebaut in den ganzen Ablauf, betrachten. 180

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