OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Heimatpflege Die Aufgaben des Naturschutzes in Oberösterreich Von Dr. Heinrich Seidl (Steyr) Der Naturschutz ist eine Kulturaufgabe, die ihre tiefste Wurzel im Gemüt hat. Von der nüchtern abwägenden Vernunft allein kann diese Aufgabe nicht in ihrem ganzen Gehalt erfaßt werden. Ziel des Naturschutzes ist die Erhaltung der Harmonie in der Landschaft, der Schutz ihrer Schönheiten, die nicht nur Angelegenheit der strengen Naturwissenschaften sind. Die Wissenschaft ist berufen, auf drohende Gefahren und die Mittel zu ihrer Bekämpfung hinzu¬ weisen. Herzenssache wiederum ist es, sich mit diesem Rüstzeug mit aller Kraft und Zähigkeit jederzeit einzusetzen. Diese moralische Forderung ist umso dringlicher, als durch Unverstand, Naturentfremdung und Habsucht, nicht zuletzt durch den unseligen Krieg und seine Folgen unser Land schwer gelitten hat. Wir können wohl beglückt feststellen: die Natur ist uns erhalten geblieben, soviel wir auch sonst verloren haben. Wer aber genauer, länger, eindringlicher prüft, wird die mehr oder weniger verdeckten Schäden und Gefahren gewahr, die uns langsam, aber sicher um dieses für Seele und Gesundheit, Forschung und Wohlfahrt so bedeutsame Gut zu bringen drohen, wenn wir nicht mit aller Umsicht und nie ermüdender Tatkrast diese lauernden Gefahren bekämpfen. Um davon wenigstens einen wesentlichen Teil vor Augen zu führen und die Aufgaben des Naturschutzes zu erwägen, wollen wir einen Reviergang durch alle Jahreszeiten des Landes machen. Kaum sind die ersten Frühlingsboten, Schneerosen, Schneeglöckchen, Primeln, Anemonen und Seidelbast, Palmkätzchen und Haselblüten hervorgesproßt, beginnt schon — besonders im Umkreis der Städte — ein schonungsloses Abgrasen. In dicken „Buschen“, die die Anmut der einzelnen Blüte gar nicht zur Geltung kommen lassen, werden diese ersten Blumenkinder zu¬ sammengebündelt, ja manchmal in ganzen Korbladungen abgeschleppt. Diesen „Blumenfreunden ist es vollkommen gleichgiltig, daß bei solcher „Nutzung“ der Waldblumen der reiche Blüten¬ flor sehr bald weit von den Siedlungen abrückt, daß rasch eine Verarmung unserer Flora eintritt. Heute müssen schon einstmals häufige Blumen unter Gesetzesschutz ge¬ nemmen werden. Jedenfalls sieht das künftige österreichische Naturschutzgesetz die Beibehaltung der noch bestehenden Vorschrift, nur kleine Handsträuße pflücken zu dürfen, ferner die Beschränkung des Handels mit bereits gefährdeten Pflanzen und den vollständigen Schutz bereits viel seltener gewordener Pflanzen (Edelweiß, Kohlröslein, Frauenschuh u. a.) vor. Im Frühling fällt auch besonders auf das beständige Abnehmen der besten Sänger in unserer Vogelwelt. Wie vielen ist z. B. die vielbesungene Nachtigall nur mehr aus Gedichten bekannt! Wie sehr hat der lärmende Sperling die edleren Sänger verdrängt, die vielfach an einem zunehmenden Mangel an geeigneten Nistplätzen (unvernünftiges Roden von Hecken und lebenden Zäunen!), ferner durch streunende, halbverhungerte Katzen und durch heimliche Vogelfänger zu leiden haben. Wer da behauptet, es sei doch unerheblich, ob hier mehr oder weniger Singvögel wären, erweist sich nicht nur als peinlich naturfremd, sondern übersieht auch den ungeheuren wirtschaftlichen Nutzen, den unsere Kleinvögel durch die Vertilgung von Garten- und Waldschädlingen leisten. Vogelschutz zählt selbstverständlich auch zu den Auf¬ gaben des Naturschutzes und hat für eine sorgfältige Überwachung des Vogelfanges, ferner für die Erhaltung der für das Alpenvorland so kennzeichnenden „Heckenlandschaft“ zu sorgen. In ihr lebt noch uraltbewährter Brauch, der die Riesenflächen eintöniger Moorkulturen vermeidet und das bäuerliche Land mit einem Netz von Baumreihen und Hecken, Gehölzstreifen längs der Feldraine und der Bachgerinne überzieht. Diese landschaftliche Gliederung wirkt höchst anmutig und bringt bedeutende wirtschaftliche Vorteile: erhöhte Nistgelegenheiten für die Vogelwelt, Schlupfwinkel für andere Insektenvertilger (Igel, Spitzmaus, Kriechtiere und Lurche) und Tiere der Niederjagd, Brechung der aushagernden Winde und der Kaltluftströme, Erhöhung des Tau¬ falles und Anreicherung der für die Pflanzen lebensnotwendigen Kohlensäure in Erdnähe. 173

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