OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter Hof besaßen, einer das Zeitliche gesegnet. Er wurde, wie üblich, im besten Ge¬ wande aufgebahrt. Als nun der Tischler kam, um den Sarg zu schließen, über raschte er die Angehörigen, wie sie dem Toten eben die schöne Hose wieder aus¬ zogen. Tatsächlich wurde er ohne dieses Kleidungsstück eingesargt. Eine bunte, lange Reihe solcher Vierzeiler schließt sich an. Die Zuhörer werden so leicht nicht müde. Immer wieder zeigt lautes Rufen und Klatschen ihre Zustimmung an. Immer wieder bewährt sich auch das Geschick der unge¬ nannten und unbekannten Dichter, in vier knappen Zeilen jedes Ereignis sicher zu umreißen und gleichzeitig witzig zu verreißen. Und immer wieder bestätigt sich dabei die tiefe Weisheit des alten oberösterreichischen Vierzeilers von der Macht des Humors: „Es is net, wia's kimmt, Es is, wia ma's nimmt; Drum is' netta oan Ding, Nimmst as schwar oder gring!“ Dr. Hans Commenda (Linz) Ein mechanisches Theater in Haslach In der Vonwiller-Fabrik in Haslach war der Maschinist Enge beschäftigt. Dieser kaufte sich ungefähr hundert Figuren zu einem Leiden Christi-Spiel. Sie waren aus Holz geschnitzt und müssen sehr gut gewesen sein, da man nach Aus¬ sagen von Zeitgenossen die Gesichtszüge deutlich lesen konnte. Sie waren 20—30 Zentimeter hoch und bemalt. Die Apostel, die Frauen und die römischen Soldaten waren bekleidet. Meister Enge grübelte solange nach, bis es ihm gelang, für sein ersonnenes Spiel die Maschinerie zu finden. Neun Jahre baute er Mechanismus, dann trat er mit dem fertigen Werk vor die Öffentlichkeit. mehreren Abteilungen wurde das Leiden Christi mit beweglichen Figuren vorge¬ führt. Das ganze Werk wurde auf einem großen Brückenwagen aufgebaut. Der Platz auf dem Wagen war in mehrere Abteilungen gegliedert, deren jede für sich ein geschlossenes Bild bot. So schritten die Zuschauer rund um den Wagen. Unter dem Wagen war der Radtreiber, der das Spiel in Bewegung setzen mußte. Nach Enges Tod wurde das Spiel in eine Scheune gestellt und stand jahrelang dort. Die Witwe verkaufte dann das Spiel dem Weber Telesphor Hagen in Haslach, der es vollständig erneuerte und damit auch in die Umgebung fuhr und für Eintrittsgeld das Spiel in Bewegung setzte. Ob auch Enge herumgefahren ist, kann nicht mehr erfragt werden. Der Brückenwagen war sehr schwer und groß und mußte bergauf von vier Pferden gezogen werden. Telesphor hat in den Achtziger-Jahren das Spiel weiterverkauft, nicht einmal seine Tochter, die jetzt noch in Haslach lebt, konnte auch nur die geringste Andeutung machen, wohin das Spiel gekommen ist. 166

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