OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Straßmayr: Schicksale oberösterreichischer Klosterbibliotheken Da in den Stiftsgebäuden Tausende von Bessarabien-Deutschen untergebracht werden mußten, riß eine heillose Unordnung ein, die eine große Gefahr für die Kunst- und Schriftdenkmale bedeutete. Der Schutz der wertvollen Klosterarchive oblag dem oberösterreichischen Landesarchiv. Das Historische Forschungsinstitut war mit der Aufgabe betraut, die ansehnlichen Handschriften- und Bücherbestände vor Zugriffen zu bewahren. Dieser Obliegenheit suchte es nach Kräften gerecht zu werden. Die im Landesarchiv befindlichen Akten dieses Instituts geben ein genaues Bild von den Anordnungen, die während der nationalsozialistischen Herrschaft hin¬ sichtlich der Klosterbüchereien ergangen sind. Ein großes Herumwandern kostbarer Bibliotheksstücke begann. Die reichhaltigen Bestände an Handschriften und In¬ kunabeln, die sich im Stifte Lambach befanden, kamen 1941 nach St. Florian, wohin ein Jahr später die Wiegendrucke des Klosters Schlägel, 300 Bände an der Zahl, und Bruchstücke von Pergamenthandschriften überführt wurden. Bei der Überprüfung mußte die Institutsleitung die Feststellung machen, daß aus den Stiftsbibliotheken St. Florian und Schlägel schon früher 11 Kodizes und 237 In¬ kunabeln, wahrscheinlich durch Veräußerung, verschwunden waren. Die Bibliotheksräume des Stiftes Lambach kamen dadurch sehr zu Schaden, daß sie einer Nationalpolitischen Anstalt (Napola) zur Benützung überlassen werden mußten. Die ungestümen Jungen zerstörten Stuckverzierungen und ver¬ nichteten bei den Umräumungsarbeiten Bücher. Dem Aufhebungsrummel fiel die ungefähr 10.000 Bände umfassende Bücherei des Trappistenklosters Engelszell zum Opfer. Bereits 1940 wurde der größere Bestand an die gaueigenen Büchereien abgegeben und die kirchliche Literatur verkauft. In den plänereichen Kriegsjahren kamen Projekte zur Erörterung, die das Gefüge der Klosterbibliotheken zu lockern geeignet waren. So ordnete ein Erlaß der obersten Parteistelle die Beschlagnahme aller Münzkabinette, deren Vereini¬ gung in Kremsmünster und die Einziehung der in den Klosterbüchereien vorhan¬ denen numismatischen Werke an. Nach dem Vorschlag des Linzer Museums sollte eine Naturwissenschaftliche Zentralbibliothek für den gesamten Gau gegründet und zu diesem Zwecke das einschlägige Schrifttum aus den Bücherbeständen der ent¬ eigneten Klöster genommen werden. Das katastrophale Kriegsende vereitelte jedoch die restlose Durchführung dieser Absichten. Als die Gefahr von Luftangriffen immer drohender wurde, mußten Vor¬ kehrungen für die Bergung besonders kostbarer Güter getroffen werden. Es ist heute allgemein bekannt, daß sich in den Stollen des Alt-Ausseer Salzberges Kulturschätze der Heimat und aus den Gauen Deutschlands anhäuften. Im Oktober/November 1943 ließ das Historische Forschungsinstitut in 11 Kisten 263 Handschriften, darunter den berühmten Codex millenarius von Kremsmünster, zahlreiche Inkunabeln und Druckwerke sowie 28 Musikhandschriften aus oberöster¬ reichischen Klosterbesitz nach Alt-Aussee schaffen. Im März 1944 ging abermals 129

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