OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter schatz unter den gelehrten Pröpsten Ziegler, Arneth und Stülz bis 1872 auf 65.000 Bände anstieg32). Der kräftige Wellenschlag der Aufklärungszeit mit ihrer starken Betonung der deutschen katholischen und protestantischen Theologie und die emsige Pflege der historischen Wissenschaften sowie der schöngeistigen Literatur haben in der Stiftsbibliothek deutliche Spuren zurückgelassen. Hier war das Schrifttum nicht bloß des deutschen Volkes, sondern auch aller europäischen Kulturländer so reichlich vertreten, daß in den zu Beginn des 19. Jahrhunderts erscheinenden Reiseschilderungen über Oberösterreich der Florianer Büchersammlung volles Lob gezollt wurde. Die langen Jahrzehnte des Friedens und wirtschaftlichen Wohlstandes boten den Klöstern die Mittel zur Förderung der Wissenschaft. Wo tüchtige Bibliothekare am Werke waren und durch geistvolle Prälaten wirksame Unterstützung fanden, mehrte sich der Bücherbestand und blieb die Quelle geistiger Arbeit. Harte Notzeiten brachte der erste Weltkrieg. Österreich war nach der Nieder¬ lage im Völkerringen ein kleines armes Land geworden, die Inflation hatte den Klöstern den Großteil ihrer Vermögenswerte genommen. Im Kampfe mit den brennenden Wirtschaftssorgen konnten sie ihren kulturellen Aufgaben nur mehr in beschränktem Maße nachkommen. Manche Klöster sahen sich sogar gezwungen, von ihren Kunstschätzen wertvolle Stücke zu verkaufen. Leider hatten auch die Stiftsbibliotheken Einbußen zu beklagen. Das von einem Bibliotheksfachmann beratene Bundesdenkmalamt war zwar bemüht, mit staatlicher Hilfe als Käufer aufzutreten und eine Abwanderung von Kostbarkeiten ins Ausland zu verhüten. Dennoch ist es auch gewiegten Antiquaren hie und da gelungen, wertvolle Hand¬ schriften und Wiegendrucke zu erwerben. Diese Schädigung oberösterreichischen Kulturbesitzes kam den amtlichen Stellen meist erst später zur Kenntnis. Der Mangel an Geldmitteln drosselte Neuanschaffungen derart, daß Fort¬ setzungswerke und Zeitschriften abbestellt werden mußten 33). Dadurch entstanden in den Bibliotheken große Lücken, die nie mehr ausgefüllt werden können. Besonders schwer wurden die oberösterreichischen Klöster durch die Ver¬ fügungen der nationalsozialistischen Machthaber getroffen. Orden, die durch viele Jahrhunderte Träger kulturellen und wirtschaftlichen Lebens im Heimatland waren, erklärte man ihres Besitzes für verlustig und verwies sie aus ihren alten Wirkungs¬ stätten. Kremsmünster, St. Florian, Schlägl und Wilhering gingen 1941 in das Eigentum des Gaues Oberdonau über, Lambach wurde Reichsbesitz. Nur Reichers¬ berg und Schlierbach blieben von den Enteignungsmaßnahmen verschont. Diese gewaltsamen Veränderungen haben den Bestand der Klosterbibliotheken nachhaltig beeinflußt. Deren Verwaltung und Betreuung übernahm das Historische For¬ schungsinstitut des Reichsgaues Oberdonau in St. Florian. 32) Czerny, Stiftsbibliothek S. 118 ff. 33) Dem Berichte einer Linzer Buchhandlung vom Jahre 1942 ist zu entnehmen, daß eines der ältesten und größten Klöster Oberösterreichs seit dem Jahre 1927 den Weiterbezug aller periodischen Lieferungen für die Bibliothek aufgab. 128

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