OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Straßmahr: Schickfale oberssterreichischer Klosterbibliotheken pflichtung, des Hauses „Liberei“ nicht bloß zu hüten, sondern auch zu vermehren und seine Mitglieder aus dem reichen Born der Wissenschaften schöpfen zu lassen. Für die Klöster, die Träger alter literarischer Überlieferungen und Förderer der Kunst brachen am Ausgang des 18. Jahrhunderts schwere Zeiten an. Harte Schicksalsschläge trafen ihre Bibliotheken. Unter dem Einfluß der naturwissen¬ schaftlichen Entdeckungen hatte eine neue, das gesamte Denken umgestaltende Geistesrichtung, die Aufklärung ganz Europa erfaßt23). Diese Bewegung, die auch Staat und Kirche in Österreich ergriff, zeigte wenig Verständnis für die Kunst und vertrat den reinen Nützlichkeits- und Gewinnstandpunkt. In politischer Hinsicht kennzeichnet jene Zeit ein Erstarken der Staatsgewalt, verkörpert in den überragenden Herrschergestalten Maria Theresia und Josef II., die einen im Geiste des aufgeklärten Absolutismus regierten Einheitsstaat Öster¬ reich aufrichteten. Damals trat das rein staatliche öffentliche Bibliothekswesen bereits kräftig in Erscheinung. Aus den Beständen der Bibliotheken des von Papst Klemens XIV. aufgehobenen Jesuitenordens (1773) errichtete die Kaiserin in den österreichischen Ländern die Universitäts- und Studienbibliotheken, die dem Unter¬ richt und wissenschaftlichen Streben aller Volkskreise dienen sollten. Die weitere Gestaltung der Bibliotheken beeinflußten am nachhaltigsten die von Kaiser Josef mit unbeugsamem Willen und mit Schärfe durchgeführten Klosteraufhebungen. Etwa 100 Ordenshäuser auf dem Boden des heutigen Öster¬ reich, vor allem solche mit rein beschaulicher Lebensweise, fielen dem Klostersturm zum Opfer. Reichen Zuwachs an Handschriften und Druckwerken erfuhren damals die soeben neu erstandenen staatlichen Büchereien. Schwer sind aber auch die Verluste, welche die Bücherschätze, Kunstsammlungen und Archive der aufgelösten Klöster durch Unverstand und rücksichtsloses Vorgehen der amtlichen Stellen erlitten haben 24). Jene Stifte, die von der Aufhebung verschont blieben, mußten so drückende wirtschaftliche und finanzielle Verpflichtungen übernehmen, daß auf längere Zeit hinaus ihr Kulturwille und ihre geistige Arbeit gehemmt war. Die Aufhebung der Jesuiten-Niederlassungen in Linz, Steyr und Traun¬ kirchen hatte zur Folge, daß 1774 in Linz die Bibliotheca publica (Lyzeal-, später Studienbibliothek) gegründet wurde, die als Grundstock die Bücherbestände der genannten Jesuiten-Kollegien erhielt. Darunter befand sich auch die wertvolle Privatbibliothek des aus dem Mühlviertel stammenden Kardinals Eberhard Neidhard, der seine Bücher im Jahre 1681 den Jesuiten in Linz vermacht hatte 25 23) J. Zibermayr, Die Gründung des oberösterreichischen Musealvereines im Bilde der Geschichte des landeskundlichen Sammelwesens. Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines Bd 85 (1933) S. 96. 2) Über die wechselvollen Schicksale der oberösterreichischen Klosterbibliotheken in der Josefinischen Zeit fehlt uns noch eine auf den Archivakten fußende Darstellung. Einiges Quellen¬ material hat N. Hittmair, Der Josefinische Klostersturm im Lande ob der Enns (Freibung i. Br. 1907) zum ersten Mal veröffentlicht. 25) K. Schiffmann, Die k. k. Studienbibliothek in Linz. Unterhaltungsbeilage der Linzer Tagespost 1910 Nr. 27 —29. 125

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