OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter herrenstift St. Florian hervorgehoben zu werden, dessen Propst Johann Georg Wiesmayr (1732 — 55) der wissenschaftliche Ausbau der bedeutendsten Bibliothel des Landes zu danken ist18). In Rom, Venedig, im Haag und in anderen großen Städten hatte er seine Büchereinkäufer, die ihm die wichtigsten Werke aus allen Wissensgebieten, besonders aus Geschichte, besorgten. Als der päpstliche Nuntius in Wien 1745 die Stiftsbibliothek besuchte, staunte er, hier so viele auserlesene Bücher vorzufinden, wie er sie in Deutschland nicht vermutete. In dem Zeitraum von 1637 bis 1747 wuchs die Bändezahl von 3946 auf 15.000 an 19). Für Garsten werden um die Wende des 17. zum 18. Jahrhundert 10.000 Bände verzeichnet, die Bibliotheken von Ranshofen und Reichersberg hatten damals auch einen ansehnlichen Zuwachs. Die sprunghafte Büchervermehrung in den Klosterbibliotheken im Zeitalter des Barocks erfolgte nicht bloß durch den großen Geldaufwand der von wissen¬ schaftlichem Streben beseelten Prälaten, sondern auch durch bedeutende testamen¬ tarische Bücherzuwendungen seitens Adeliger, Stiftsgeistlicher und führender Männer des geistigen Lebens. Der Bücherfreunde in den gebildeten Schichten Oberösterreichs gab es ja eine ansehnliche Zahl. Auf manchen Stiftspfarreien saßen Seelsorger, die auserlesenes Schrifttum käuflich erwarben. Die Bücher¬ stuben auf den Schlössern bargen reichhaltige Literatur aus allen Wissensgebieten, die nach dem Tode der Besitzer in den Klöstern eine dauernde Heimstätte fanden 20). So kam auf dem Erbschaftswege die 3600 Bände zählende Bücherei des öster¬ reichischen Vizedoms Wolf Martin Ehrmann Freiherrn von Falkenau 1759 nach St. Florian21). Eine seltene Bereicherung dieser Stiftsbibliothek mit juridischen Werken erfolgte durch die mehr als 3000 Bände umfassende Bücherei des an¬ gesehenen Linzer Advokaten Johann Carl Seyringer22). Der Sinn für Kunst und Wissenschaft, von geistig hochstehenden Prälaten mit Liebe und Sorgfalt gepflegt, schuf im Lande Klosterbibliotheken, die Zierden der Ordenshäuser wurden und das wissenschaftliche Leben mächtig förderten. St. Florian hat durch seinen einzigartigen Bücherschatz den Boden für die spätere Entfaltung der Geschichtswissenschaft vorbereitet, die in ihren glanzvollen Ver¬ tretern Kurz, Gaisberger, Pritz, Chmel, Stülz und Czerny durch mehr als ein Jahrhundert den Ruhm des Hauses weit über dieGrenzen des Vaterlandes hinausgetragen hat. In der uralten Tassilo-Stiftung Kremsmünster hinwiederum befruchtete eine gut ausgestattete Bibliothek die Pflege der Naturwissenschaften, be¬ sonders der Astronomie. Jedes Kloster auf heimatlichem Boden fühlte es als Ver¬ 18) E. Mühlbacher, Die literarischen Leistungen des Stiftes St. Florian bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts (Innsbruck 1905) S. 65. 19) Czerny a. a. O. S. 111. 2c) Die weithin berühmte Bibliothek des Grafen Joachim Enzmiller auf Windhag bei Perg kam 1678 in das Wiener Dominikanerkloster und ist heute ein wertvoller Bestandteil der Universitätsbibliothek in Wien. 21) Czerny a. a. O. S. 117. 22) Der von Seyringer verfaßte Katalog stammt aus dem Jahre 1726. Czerny S. 105. 124

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