OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Straßmayr: Schicksale oberösterreichischer Klosterbibliotheken herrlichen Miniaturen und Initialen geziert und zum Großteil im Stifte selbst entstanden sind5). Aus noch vorhandenen Verzeichnissen ist zu ersehen, daß die bedeutenderen oberösterreichischen Stifte gegen Ende des 15. Jahrhunderts durch¬ schnittlich je 400—500 Handschriftenbände besaßen. Für St. Florian sind 465, für Waldhausen 420 Kodizes im Jahre 1471 nachzuweisen6). Diese Zahlen entsprechen ungefähr dem Bücherbestand, den die Bibliotheken hervorragender deutscher Klöster besaßen. Die Vermehrung der Handschriften-Sammlungen in den Klöstern erfolgte durch die Schreibtätigkeit der eigenen Mönche, durch Schenkungen und Kauf. Kostbare Bücher flossen ihnen seitens der Klostergründer und vornehmer Geist¬ licher und Adeliger zu. So darf man wohl in dem berühmten Codex millenarius des Stiftes Kremsmünster eine Widmung Herzog Tassilos oder Karls des Großen vermuten?). Lambach erhielt von seinem Stifter Erzbischof Adalbero von Würz¬ burg Evangelienbücher und Heiligenlegenden8). Da die mit Zeit- und Geldaufwand zustandegebrachten geistigen Bildungs¬ mittel zu den Schätzen des Klosters zählten, wurden sie mit den Kirchengeräten, Kleinodien und Urkundenprivilegien in nächster Nähe des Gotteshauses, in der Sakristei (Sacrarium) aufbewahrt. Vereinzelt schon im 15. Jahrhundert, häufiger jedoch erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, treffen wir in den Stiften eigene Bibliotheksräume an. Durch Brände und Kriegshandlungen waren manchmal auch schwere Verluste zu beklagen. In Ranshofen wurden 1250 Meßbücher und Unterrichtsbehelfe ein Raub der Flammen und Baumgartenberg büßte während der Hussiteneinfälle seine Schätze ein?). Bei der Wertschätzung, welche die Mönche ihren Pergament¬ kodizes zuteil werden ließen, ist es begreiflich, daß in stürmischen Zeiten mit dem Kirchenschatz auch die Handschriften in Sicherheit gebracht wurden. So boten die schirmenden Mauern der Stadt Enns oder die Feste Spielberg an der Donau den Kleinodien von St. Florian eine Zufluchtstätte. Das Chorherrenstift Waldhausen konnte in den Wirren des 15. Jahrhunderts einen Teil seiner Kostbarkeiten im Kloster Melk bergen 10) Die gewaltigen Revolutionen der Renaissance und der Reformation haben das gesamte Bildungswesen neu geformt und die Entwicklung der Bibliotheken stark beeinflußt. Mit der Wiedererweckung des klassischen Altertums und der Pflege wissenschaftlicher Forschung durch den Humanismus bekundet sich in den weltlichen Kreisen geistige Regsamkeit. Nicht mehr die Klöster allein sind Träger 5) Czerny a. a. O. G. 33. *) Schiffmann a. a. O. S. 101. *) Th. Hagn, Das Wirken der Benediktinerabtei Kremsmünster für Wissenschaft, Kunst und Jugendbildung (Linz 1848), S. 27. *) Czerny a. a. O. S. 41. *) Schiffmann a. a. O. S. 87 f. 10) J. Zibermayr, Das oberösterr. Landesarchiv in Linz. 2. vermehrte Auflage (Linz 1930), S. 14. 121

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