OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter fältig gesammelt, so könnten wir nicht aus diesem reichlich fließenden Vorn alter Gelehrsamkeit schöpfen. Die führende Stellung der Wiener Nationalbibliothek im österreichischen Geistesleben, ihr europäischer Ruf beruht zum Großteil auf dem kostbaren Schatz mittelalterlicher Handschriften, Inkunabeln und seltener Druckwerke, die aus einstigem Klosterbesitz stammen. Die Grundlagen für die reichhaltigen Bestände unserer heutigen Universitäts- und Studienbibliotheken haben die Bücherschätze aufgehobener österreichischer Stifte gegeben. Mit berechtigtem Stolz weisen wir immer wieder auf die Bibliotheken unserer noch bestehenden Klöster hin, die auf eine Kulturarbeit bis in die Karolingerzeit zurück hinweisen können. Nach einer im Jahre 1931 erhobenen Statistik*) zählte Österreich 518 wissen¬ schaftliche Büchereien mit rund 11 Millionen 500.000 Bänden, 76.000 bis in das frühe Mittelalter zurückreichenden Handschriften und 29.000 Wiegendrucken. Unter ihnen ragten 71 Klosterbibliotheken mit besonders wertvollen Beständen hervor. Unsere Stifte Kremsmünster, Lambach, Reichersberg, Schlägl, Schlierbach, Sankt Florian und Wilhering verzeichneten 415.000 Bände, 3239 Kodizes und 2730 Inkunabeln. Unter den mittelalterlichen Orden, die Jahrhunderte hindurch Brennpunkte wissenschaftlicher Tätigkeit waren, traten die Benediktiner, Zisterzienser, Augustiner Chorherren und Prämonstratenser hervor. An ihr Wirken knüpfen sich die An¬ fänge unseres heimatlichen Kulturlebens. Manche dieser verdienstvollen Ordens¬ niederlassungen wie Mondsee, Garsten, Baumgartenberg, Suben, Waldhausen und andere bestehen nicht mehr. Von ihrem geistigen Schaffen künden aber heute noch die in den öffentlichen Bibliotheken verwahrten Bücherschätze. Im Mittelalter lag das Bildungswesen fast ausschließlich in den Händen der Mönche. Neben der Pflege des Kirchendienstes und der Aszese sorgten sie in den Klosterschulen für die Volkserziehung und benötigten für diese vielseitige Betätigung eine Büchersammlung. Da gab es für den religiösen Bedarf des Hauses Meß- und Chorbücher, Werke der Heiligen Schrift und aszetische Traktate. Diese Literatur hat der an Umfang sehr bescheidenen mittelalterlichen Bibliothek, die fast durchwegs Pergamentkodizes aufwies — der billigere Beschreibstoff Papier kam erst seit dem 14. Jahrhundert in Verwendung — eine vorwiegend theologische Prägung verliehen. Erst gegen Ende des Mittelalters ändert sich der Inhalt zu Gunsten der weltlichen Wissenschaften. Dem Unterricht dienten Grammatiken und Wörterbücher, Klassiker des heid¬ nischen und christlichen Altertums, Handbücher humanistischen und naturwissen¬ schaftlichen Inhalts. Die Klöster ließen sich die Pflege antiker und christlicher Überlieferung angelegen sein, ihre Schreibschulen erlebten eine Blütezeit. Als Hauptmittel christlicher Geisteszucht galt das Abschreiben von Büchern. St. Florian besitzt heute noch 65 Pergamenthandschriften vom 11.—15. Jahrhundert, die mit *) Minerva -Handbücher 1. Abt. Die Bibliotheken. Bd 2: Österreich, bearbeitet von N. Teichl, Berlin-Leipzig 1932, S. 308. 120

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