OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Straßmayr: Schicksale oberösterreichischer Klosterbibliotheken Schicksale oberösterreichischer Klosterbibliotheken Von Dr. Eduard Straßmayr (Linz) ZZu dem geistigen Schatz, der unserem hartgeprüften Österreich inmitten der Trümmer einst sorgsam gepflegten Besitzes geblieben ist, zählen die Bibliotheken. Sie sind mit den Kunst- und wissenschaftlichen Sammlungen die kostbaren Güter, die unserem klein gewordenen Vaterland einen Ehrenplatz im Geistesleben aller Völker und Zeiten einräumen und ihm heute noch den unvergänglichen Glanz einer kulturellen Großmacht verleihen. Schopenhauer hat die Bibliotheken das sichere und bleibende Gedächtnis des Menschengeschlechtes genannt. Als Hüterinnen der literarischen Denkmäler sind sie die Grundfesten der Bildungs- und Geistesgeschichte. In ihnen spiegeln sich die geistigen Strömungen, welche im Wechsel der Jahrhunderte die Menschheit erfaßt und bewegt haben. Sie sollen das Rüstzeug für den Betrieb der Wissen¬ schaften verwahren und mehren. Eine große eindrucksvolle Schau über die Geschichte der Bibliotheken in der gesamten Welt vom Altertum bis zur Gegenwart wird im „Handbuch der Bi¬ bliothekswissenschaft“1) geboten. Die Entwicklung des Büchereiwesens in unserem Heimatland, das sich viele Jahrhunderte zurückverfolgen läßt, hat leider noch keine zusammenfassende Behandlung erfahren. Der um die Heimatforschung hochver¬ diente Archivar und Bibliothekar des Stiftes St. Florian, Albin Czerny2), ver¬ öffentlichte bereits im Jahre 1874 eine auf eingehendem Quellenstudium fußende Geschichte der berühmten Bibliothek seines Hauses. Hier werden zum ersten Mal auf breiter Grundlage weit über den Kreis des eigenen Stiftes hinaus Ausschnitte aus dem wechselvollen Werden und Wachsen der österreichischen Klosterbibliotheken gegeben. Bausteine zur oberösterreichischen Kulturgeschichte hat K. Schiffmann in seinem Aufsatz „Oberösterreichische Bibliotheken und Archive“3) zusammengetragen. Wenn sich Österreich rühmen darf, alte Bücherschätze sein Eigen zu nennen, so verdankt es dies vor allem mönchischem Sammelfleiß und Gelehrteneifer. Der alte Satz „Claustrum sine armario est castrum sine armamentario“, hatte bei den Klöstern stets Geltung und wurde auch beherzigt. Neben dem frommen Gebet, der Seelsorge und Urbarmachung des Bodens galt der Klosterbrüder Mühen der Pflege der Wissenschaft. Hätten die mittelalterlichen Schreiber in den stillen Klosterzellen nicht das Geistesgut antiker Klassiker in Pergamentkodizes sorg¬ *) Herausgegeben von F. Milkau- G. Leyh (Leipzig 1933—42), 3. Bd.: Geschichte der Bibliotheken. 2) Die Bibliothek des Chorherrenstiftes St. Florian. Geschichte und Beschreibung. Linz 1874. 3) Archiv für die Geschichte der Diözese Linz Ig 2 (1905), S. 85 ff. 119

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