OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 2

Moser: Die untere Enns als Hindernis und Grenze die Einwanderung der Baiern aus Osten, längs der Donau wahrscheinlicher; das Gebiet „zwischen Wienerwald und Enns“ war das erste Ziel ihrer Landnahme 36, Die Frage muß doch noch weiterhin strittig bleiben, weil sich die historisch-geogra¬ phischen Schlüsse mit den sprachwissenschaftlichen Forschungsergebnissen bisher schlechterdings nicht vereinbaren ließen37). Maßgebend für die Beurteilung der Enns als Grenze ist indessen, daß beide Auffassungen über Herkommen und Einwanderung der Baiern auf eine Ennsgrenze hinweisen. Der Hindernischarakter des breiten Naumes zwischen den hohen Terrassen findet darin seinen historischen Ausdruck. Der alte deutsche Sprachschatz kennt eben nur Marken, also Grenzsäume, und das Wort Grenze, das ist Grenzlinie, ist, kennzeichnenderweise aus dem Osten kommend, slawischen Ursprungs38). Bei aller Hemmung, die Volkswanderung und Verkehr hier finden mochten, der bairischen Landnahme, ob sie vom Westen oder Osten her erfolgte, ward durch das untere Ennstal allerdings keine end¬ gültige Schranke gesetzt. Mit dem um 700 anzusetzenden Fall von Lorch 39) sahen sich die Baiern sogar an die Traun zurückgedrängt, die nun bis Karls des Großen Avarenkrieg Bayerns Grenzwehr bildete“°). Es wäre eine überaus lohnende Aufgabe, die weitere Entwicklung der Ennsgrenze zu verfolgen, eine Aufgabe, die den Rahmen der vorliegenden Betrachtung völlig sprengen würde so daß auf einschlägige anderweitige Literatur verwiesen sei*1). Der Geograph macht eine aus der Betrachtung des Geländes sich ergebende Wahrnehmung, die sich schon mit den wenigen angedeuteten historischen Tatsachen deckt. So sehr das Gelände ein Hindernis schafft, die übersteilen, zum Teil rutschenden Lehnen sind keine das ganze rechte oder linke Ufer durchlaufend vorhandene Er¬ scheinung. Im Zuge der Entwicklung der Grenzlinie aus dem Saum wurde das Bedürfnis einer einheitlichen, geschlossenen Linie immer stärker. Damit rückte die Grenze von den isolierten, am weitesten voneinander entfernten Terrassen¬ rändern des Deckenschotters und der Hochterrasse auf die näher liegenden, auf längere Strecken hin einheitlich ausgeprägten Nieder- und deren Subterrassen¬ ränder herab, um endlich am tatsächlichen Flußufer als der geschlossensten, bis zur Mündung naturgegebenen Linie zur Ruhe zu kommen. Seit rund 900 bliel sie dort fest42). 30) J. Zibermayr, a. a. O., G. 75. 37) W. Schultze, Die Vorgeschichte der Bayern uff. in B. Gebharts Handbuch der Deutschen Geschichte, 6. Aufl. v. A. Meister, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1923. Bd 1, S. 146 f. 38) O. Maull, Politische Grenzen. Weltpolitische Bücherei, hsg. v. A. Grabowsky. Bd 3. 1928, S. 5 ff. 39) J. Zibermayr, a. a. O., S. 105 ff. 0) ebenda, S. 107 ff. 2) A. Mahr, Die älteste Besiedlung des Ennser Bodens. Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft, Wien 1916; J. Strnadt, Die Geburt des Landes ob der Enns, Linz 1886; Das Gebiet zwischen der Traun und Enns. Archiv für oesterreichische Geschichte Bd 94, 1907; M. Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs, 2 Bände, Gotha-Stuttgart, 1905, 1927. 12) J. Zibermayr, a. a. O., S. 377 ff. 105

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